Das Ambulantisierungspotenzial liegt je nach Studie zwischen 20 und 30 Prozent. Wenn man sich einmal gedanklich – jenseits von Finanzierungslogiken – in die Lage des Patienten versetzt, fragt man sich, warum er in ein Krankenhaus gehen soll, wenn es vergleichbare ambulante Behandlungsmöglichkeiten gibt. Ein Patient, dem beispielsweise eine Hüft- oder Knieendoprothese eingesetzt wird, verbringt hierzulande etwa eine Woche im Krankenhaus. Im internationalen Vergleich zeigt sich ein anderes Bild: Im Extremfall finden diese Operationen ambulant statt, in vielen Fällen bleiben die Patienten ein bis zwei Tage stationär.
Das deutsche Gesundheitswesen ist durch historisch gewachsene Strukturen geprägt, die mit den neuen Versorgungsrealitäten zunehmend nicht mehr Schritt halten können. Die unzureichende Vernetzung der Sektoren stellt bis heute ein strukturelles Problem dar. Das größte Hindernis, mit dem Deutschland derzeit zu kämpfen hat, ist finanzieller Natur. Ursache sind die zwei getrennten Vergütungssysteme, die sich konzeptionell und systematisch stark unterscheiden. Dies führt zu Fehlsteuerungen, zum Beispiel zu längeren Krankenhausaufenthalten als notwendig. Die Vergütung muss durchlässiger werden und darf keine Fehlanreize setzen.
Drei Schwerpunkte setzen
Die Sana Kliniken haben den ambulanten Bereich deutlich ausgebaut, mit drei Stoßrichtungen:
- Der Klinikkonzern hat, wie andere auch, rund um die eigenen Kliniken Medizinische Versorgungszentren (MVZ) aufgebaut – im besten Fall in enger Partnerschaft mit möglichst vielen Fachabteilungen des Krankenhauses.
- Sana hat für große Indikationen, insbesondere in der Radiologie und Orthopädie, die Mehrheit an der Med360° erworben, die inzwischen eine der größten radiologischen und orthopädischen Versorgungsketten darstellt. Rund um die Krankenhausstandorte wurden entsprechende Strukturen aufgebaut.
- Die pathologische Versorgung wurde wieder vollständig eingegliedert, sodass Sana heute in der Lage ist, die Häuser sowohl ambulant als auch stationär selbst zu versorgen. Es wurde ein Netzwerk von knapp 650 Vertragsarztsitzen aufgebaut.
Um jedoch ambulante Kompetenzen und ein ambulantes Mindset zu entwickeln, gilt es, die richtigen Anreizstrukturen zu schaffen. Das gilt auch für größere Einheiten wie Med360°. Sie betreibt unter anderem eine Fachklinik, die optimal auf das ambulante Operieren ausgerichtet ist – von den Räumlichkeiten, den Instrumenten, den Prozessen, den Teams und der Mentalität. So gelingt es, hohe medizinische Kompetenz mit einer guten OP-Auslastung zu verbinden.
Ambulantisierung in zwei Richtungen
In der Diskussion wird häufig nur auf die Übernahme ambulanter Leistungen durch die Kliniken verwiesen, die Ambulantisierung verläuft jedoch in zwei Richtungen. Ambulante Leistungserbringer könnten (verstärkt) Leistungen erbringen, die heute im stationären Bereich angesiedelt sind. Getreu dem Motto: Das Krankenhaus stellt die Infrastruktur, aber die eigentliche medizinische Leistung wird selbst erbracht. Das könnte in den nächsten Jahren zu einer Zunahme von Kooperationen zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten führen.
Die Art der Zusammenarbeit wird somit stark von den lokalen Gegebenheiten abhängen, was generell für die sektorenübergreifende Versorgung gilt. Handelt es sich um einen Ballungsraum oder um eine ländliche Region? In manchen ländlichen Regionen ist bereits heute das Krankenhaus der einzige verbliebene Versorger. Niedergelassene Ärzte haben oft Schwierigkeiten, Nachfolger für ihre Praxen zu finden. In Ballungsräumen hingegen ist die ambulante Versorgung nach wie vor stark umkämpft.
Auch die ärztliche und pflegerische Kompetenz vor Ort, die allgemeine Personalsituation und die Kooperationsbereitschaft insbesondere der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) spielen eine entscheidende Rolle. Krankenhäuser haben oft keine Möglichkeit, ambulant zu behandeln, weil ihnen die Zulassungen oder Ermächtigungen fehlen, die in der Regel von den KV vergeben und geplant werden. So ist es sinnvoll, wo es geht, einen ambulanten Zugang zu bekommen – sei es durch eigene KV-Sitze oder in Kooperation mit niedergelassenen Ärzten und Partnern. Ziel ist, an einem Standort den kompletten Zugang zur ambulant-stationären Versorgung und bestenfalls auch zur Nachsorge anzubieten.
Trotz Konzernstrukturen kann man aber immer nur für jede einzelne Klinik im Sinne einer regionalen Vernetzung denken: Wie eine Versorgungskette für den Patienten aus einer Hand aufbauen? Jede Klinik muss eigenständig entsprechende Strukturen schaffen, um die ambulante Versorgung mit schlanken und schnellen Prozessen zu realisieren. Dabei spielen zum Teil auch unterschiedliche Berufsbilder eine Rolle.
Hybrid-DRG grundsätzlich richtig
Die Hybrid-DRG ebnen den richtigen Weg, um die Ambulantisierung voranzutreiben und stellen eine Zwischenfinanzierung zwischen ambulant sowie stationär dar. Das Krankenhaus erhält eine Vergütung, die etwa ein Drittel unter einer klassischen DRG-Vergütung liegt, und kann dann selbst entscheiden, wie der Patient behandelt wird – ob er einen Tag, zwei Tage oder drei Tage bleibt -, ohne Abschläge aufgrund von Grenzverweildauern im DRG-System befürchten zu müssen. Damit soll ein Anreiz für Krankenhäuser geschaffen werden, mehr Patienten ambulant zu behandeln.
Aufgabe ist es, in den Häusern Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, Patienten auch bei reduzierter Vergütung wirtschaftlich zu behandeln. Das heißt, es kann nicht mehr im gleichen Setting wie im stationären Bereich gearbeitet werden. Das erfordert auch ein Umdenken sowohl in der Medizin als auch in der Pflege.
Zeit zum Üben bleibt noch, um Strukturen und Prozesse anzupassen. In diesem Jahr gibt es noch einen schmalen Katalog an möglichen Hybridleistungen. Ein Blick auf den Katalog der Hybrid-DRG für das nächste Jahr zeigt jedoch, dass deutlich mehr Leistungen vorgesehen sind und auch mehr Leistungen in das Thema einfließen müssen.