Gesundheitspolitik

Augurzky: „Kopiert erst mal NRW!“

  • DRG-Forum

Auf dem DRG-Forum diskutierte eine Runde aus Politik, Wissenschaft und Verbänden, über die Frage, wie es in der Gesundheitspolitik weitergehen muss. 

Thomas Lemke, Sana-Vorstand und Chef des Bundesverbands der Privatkliniken (BDPK), bezeichnete gleich zu Beginn den „Regulierungswahn im Gesundheitswesen“ als eines der großen Probleme für Krankenhäuser. „Es wird den Mitarbeitern in Kliniken von früh bis spät gesagt, was zu tun ist und das haben die Leute satt.“

Sonja Mathes, Sprecherin der sich weiterbildenden Ärztinnen und Ärzte im Marburger Bund, bekräftigte: „Wir brauchen Änderungen, sonst halten es die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, nicht mehr aus.“

Boris Augurzky, Professor für Gesundheitsökonomie und Vorstandsvorsitzender der Rhön Stiftung, verwies auf die derzeitige Sozialabgabenquote von 42 Prozent und fragte: „Wo stehen wir in zehn Jahren, wenn wir richtig alt sind?“ Reformen seien jetzt nötig. „Umstrukturierungen dauern, da kann man nicht einfach den Hebel umschalten“, so Augurzky, der als Mitglied der Regierungskommission auch als einer der Väter der Krankenhausreform gilt.

Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, stieß ins selbe Horn: „Obwohl wir wichtige Reformen auf den Weg gebracht haben, bleibt der Handlungsbedarf weiter hoch."

Lemke: „Die gefühlte Belastung ist hoch“

Im Alltag von Ärzten habe die Arbeitsdichte stark zugenommen, bemerkte Sonja Mathes. „Die psychische Belastung aber auch Gewalterfahrung steigen und hier muss man gegensteuern, sonst kommt die Veränderung von unten.“

Boris Augurzky nannte die Personalsituation in Kliniken ein Paradoxon. Einerseits existiere dieser Fachkräftemangel, andererseits wachse die Zahl der Ärzte und Pflegekräfte in Kliniken jährlich. „Deshalb müssen wir die Menge der Behandlungen runterbringen“, so sein Fazit.

Thomas Lemke bemerkte: „Wir Deutschen sind das belastetste Arbeitsvolk von allen.“ Vor allem die gefühlte Belastung sei seit der Coronapandemie gestiegen. Wenn man so bürokratische Strukturvorgaben mache wie mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), müsse man sich nicht wundern, dass die so ist. „Es geht die Innovationskraft der Menschen verloren, Dinge neu zu gestalten."

Dahmen: "Wir müssen Standorte reduzieren"

Janosch Dahmen wies diese Analyse zurück. Das sei weder die Erklärung des Problems noch führe es zu seiner  Lösung. „Wir haben ein Mengenproblem und wir haben in unserem arztzentrierten System zu viele Arztkontakte.“

Auch was die Krankenhausstruktur betrifft, sprach Dahmen Klartext: „Wir müssen Standorte reduzieren und zwar nicht nur ein bisschen, sondern deutlich. Was die Leistungen betrifft, müssen wir die Personalressourcen dort hinsteuern, wo sie gebraucht werden.“ Außerdem müsse man die Verantwortung in der Versorgung weniger arztzentriert aufstellen, also multiprofessioneller, „so wie in anderen Ländern schon getan“, so Dahmen. 

Dahmen attackiert Klinikkonzerne

Ein hausarztzentriertes System wie etwa in Dänemark sei für die Mengenreduktion hilfreich, unterstrich Dahmen und erhielt dort von seinen Mitdiskutanten Zustimmung.

Thomas Lemke wand jedoch ein, dass es schwierig sei, dazu der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Was wir derzeit sehen, ist der Versuch, Mengenreduktion durch Regulatorik zu erreichen.

Dahmen unterstrich, dass er der Bevölkerung sehr Wohl reinen Wein einschenke. Priorisierung gelte für ihn außerdem nicht nur beim Patienten. Es bedeute auch, dass Konzerne die vor allem viel Geld verdienen wollen, keinen Platz mehr im Krankenhauswesen hätten.

Boris Augurzky manövrierte die Unterhaltung wieder in ruhigeres Fahrwasser: „Eigenbeteiligung gibt es in vielen Nachbarländern, hier ist das ungewohnt. Wir hatten eine schlechtgemachte Praxisgebühr. Da müssen wir wieder ansetzen, aber damit hört es nicht auf. Ich würde mir als Patient eine Patientensteuerung wünschen, die mich auf dem Weg ins Gesundheitswesen unterstützt.“ Das sei ein ganzes Bündel an Maßnahmen, die man auf der Nachfragenseite vornehmen müsse.

KHVVG technisch nachsteuern

Sollte die Krankenhausreform zurückgedreht werden, frage Moderatorin Rebecca Beerheide (Ärzteblatt) in die Runde. „Wir sollten die Reform nicht auf Null setzen, weil das Leistungsgruppensystem akzeptiert ist“, erklärte Lemke. Es gebe aber handwerklich zu viele Fehler, die Bürokratiekosten nach sich ziehen.

Augurzky erklärte, bei der jetzigen Ausführung könnte das KHVVG auf Standortebene ein Windhundrennen um die Vorhaltepauschale auslösen. Hier müsse man technisch nachsteuern, aber das sei auch möglich. 

Janosch Dahmen bemerkte, es sei jetzt wichtig, dass der Leistungsgruppenausschuss seine Arbeit richtig aufnehme, um an einigen Nahtstellen zu präzisieren, etwa in der Geriatrie oder der Notfallversorgung.

Dahmen: Häuser "außer Dienst" setzen

Das KHVVG zwingt die Bundesländer, relativ schnell ein Leistungsgruppenplanungssystem einzuführen. Bis Ende 2026 müsste jedes Bundesland die Planungen, Zuweisungen und auch entsprechende Gesetzesänderungen eingetütet haben. Viele halten diesen Zeitplan für illusorisch.

„Je kleiner ein Bundesland, desto weniger kommt es mit der Leistungsgruppenplanung zu Potte“, erklärte Boris Augurzky, der die Vorlage des KHVVG in der Regierungskommission mit ausgearbeitet hatte.

Diese Einschätzung wollte Thomas Lemke so nicht stehen lassen. „Wir stellen eine Willigkeit bei allen Ländern fest. Doch so wie es im KHVVG konstruiert ist, wird das kein Land umsetzen können.“ Außerdem beschneide das KHVVG die Gestaltungsoption der Länder extrem.

KHVVG: Kleine Länder fehlt Kapazität für Umsetzung

Gerade kleinen Ländern fehle in den Gesundheitsministerien das Personal, um die Komplexität der KHVVG-Umsetzung zu wuppen, erklärte Augurzky. „Ich empfehle in solchen Fällen: Kopiert erstmal NRW!“

Janosch Dahmen bestritt, dass kleinen Ländern die Kapazität für die KHVVG-Umsetzung fehle. „Das kann ich nicht erkennen. Vielmehr erkennen die Länder, dass die Steuerungsmöglichkeiten durchs KHVVG wachsen. Sie können betriebswirtschaftliche Geldflüsse als scharfes Schwert für Gestaltung nutzen.“ Es werde Ministerien geben, die eine aktive Krankenhausplanung betreiben würden und bewusst Häuser „außer Dienst“ stellen würde, wenn sie die für bestimmte Leistungen nicht als geeignet ansehen. 

Ärztin Sonja Mathes appellierte an die Politik, die Klinikbeschäftigten bei den Komplexen Reformwerken mitzunehmen: „Man verliert die Leute, weil man nicht den Glauben erzeugt, dass sich etwas ändert. Das erzeugt Misstrauen.“
 

Autor

 Jens Mau

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