Katholische Kliniken

Bernadette Rümmelin: „Eine Abkehr vom Hamsterrad sieht anders aus“

  • Krankenhausreform
Bernadette Rümmelin: „Eine Abkehr vom Hamsterrad sieht anders aus“
© Kirsten Breustedt Fotografin Berlin;

Bernadette Rümmelin befürwortet Vorhaltepauschalen. Die Verknüpfung der Pauschale mit den Leistungsgruppen sei allerdings ein Fehler, warnt die Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland (KKVD). 

Frau Rümmelin, wie hat sich die finanzielle Situation der katholischen Kliniken in den letzten zwölf Monaten verändert – was hören Sie aus den Häusern?

Die Lage ist, so wie in allen anderen Krankenhäusern auch, angespannt. Dass sich Minister Lauterbach so beharrlich weigert, einen nachhaltigen Inflationskostenausgleich zu gewähren, stößt auf großes Unverständnis. Die im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz vorgesehenen Maßnahmen wie die Berücksichtigung der Tariflohnsteigerungen ab 2024 oder eine sachgerechtere Bestimmung der für die Weiterentwicklung der Landesbasisfallwerte geltenden Obergrenze ab 2025 wirken nicht unmittelbar, sondern erst in der Zukunft. Somit rutschen nun weitere Kliniken in die Insolvenz oder in Schutzschirmverfahren. Seit Anfang 2023 hat es bereits über 40 Klinken getroffen. Bei den freigemeinnützigen Trägern zeigen sich die Auswirkungen des unzureichenden Finanzierungssystems am deutlichsten, sie stellen 75 Prozent dieser 40 Kliniken dar. 

Derzeit klagen 29 Kliniken gegen das Land Berlin, in Frankfurt zieht der evangelische Betreiber Agaplesion die Stadt Frankfurt vor den Kadi. Sind öffentliche Subventionen Wettbewerbsverzerrung?

Mit Blick auf die Betriebskostendefizite kann man das nicht anders nennen. Länder und Kommunen halten den öffentlichen Kliniken den Kopf über Wasser, während freigemeinnützige und private Krankenhäuser allein zurechtkommen müssen, obwohl sie dieselben Versorgungsaufträge haben wie öffentliche Krankenhäuser. Insgesamt machen die öffentlichen Häuser nur ein Drittel der bundesweiten Versorgungslandschaft aus. Ohne die freigemeinnützigen und privaten Kliniken geht es also nicht. 

Was erhoffen Sie sich von diesen Klagen gegen die öffentlichen Träger?

Der KKVD ist an den Verfahren nicht beteiligt. Unsere Kernforderung ist, dass alle Kliniken auskömmlich finanziert werden. Damit richten wir uns zunächst an Bundesgesundheitsminister Lauterbach mit der Forderung einer sachgerechten Ausgestaltung der Betriebskostenfinanzierung. Aber auch an die Länder, die bei den von ihnen zu tragenden Investitionskosten immer noch große Lücken lassen. Da auf politischer Ebene bislang keine Abhilfe in Aussicht steht, sondern im Gegenteil ein kalter Strukturwandel hingenommen werden soll, sind die Klagen vor Ort das letzte Mittel, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Wünschenswert wäre, dass die Kommunen gemeinsam mit uns beim Bund und den Ländern für eine solide Finanzierung eintreten. Denn letztlich können auch sie kein Interesse daran haben, immer mehr Steuermittel in ihre Kliniken zu stecken, die für andere kommunale Aufgaben wie Schwimmbäder oder Kindergärten fehlen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beschreibt das geplante Leistungsgruppensystem und die Vorhaltepauschalen als Rettungsanker für defizitäre Kliniken. Was halten Sie davon?

Für die Defizite sind das derzeitige Finanzierungssystem und die enormen Kostensteigerungen der vergangenen zwei Jahre verantwortlich. Das Finanzierungssystem zu ändern, ist seit langem überfällig. Und ja, Vorhaltepauschalen sind eine gute Lösung. Doch es kommt darauf an, wie sie ausgestaltet sind: Wenn unter dem Deckmantel der Vorhaltung einfach nur das knappe Geld aus den Fallpauschalenbudgets neu umverteilt wird, führt das nicht zur von Minister Karl Lauterbach so oft beschworenen Entökonomisierung. Im Gegenteil, selbst die Vorhaltevergütung soll an den Leistungsgruppen festgemacht werden, die wiederum eine Mindestvorhaltefallzahl voraussetzen. Eine Abkehr vom durch Fallzahlen getriggerten Hamsterrad sieht anders aus. Und bei den Leistungsgruppen will Lauterbach kleinteiliger und dirigistischer werden, als dies beispielsweise in NRW der Fall ist. Unabhängig davon: Die inflationsbedingten Defizite müssen jetzt aufgefangen werden. Es reicht nicht, die Kliniken dafür auf die Reform zu vertrösten.
  
In Darmstadt planen ein konfessionelles und kommunales Haus eine gemeinsame Holding. Wie wichtig werden trägerübergreifende, enge Kooperationen in der Zukunft?

Kooperationen und Netzwerke sind wichtig und absolut sinnvoll. Auch im katholischen Krankenhaussektor beobachten wir eine hohe Bereitschaft, diesen Weg zu gehen. Nehmen Sie die ökumenischen Verhandlungen in Halle an der Saale, die Kooperationspläne freigemeinnütziger Träger in Essen oder die Zusammenschlüsse zwischen katholischen Trägern, die sich beispielsweise im nördlichen Ruhrgebiet, in Ostwestfalen oder Köln im vergangenen Jahr vollzogen haben. Allen ist klar, ein innovativer Strukturwandel funktioniert, wenn sich alle Kliniken auf ihre Stärken konzentrieren und gemeinsam tragfähige Versorgungsnetze bilden, die für die Menschen in erreichbarer Nähe eine hohe Behandlungsqualität ermöglichen. Insofern ist Darmstadt nicht das erste Kooperationsprojekt und es wird auch nicht das letzte bleiben. 

Kürzlich haben die hessische Kreisklinik Groß-Gerau und ein Bayerischer Klinikverbund den Gesundheitsminister auf Schadenersatz verklagt. Können Sie dem Reformvorhaben aus dem Gesundheitsministerium angesichts der Stimmungslage noch etwas Positives abgewinnen? 

Wir alle haben auf eine solide Krankenhausreform gehofft und es gab dafür ab 2022 ja auch eigentlich genug Zeit. Doch Minister Lauterbach hat dem Reformprojekt mit seinem Einzelkämpfertum und seinen Machtspielen gegenüber den Ländern großen Schaden zugefügt. Wir stehen nun vor einem Gesetzentwurf, der in seinen praktischen Auswirkungen weder durchdacht noch analysiert ist. Die Reform droht so im Chaos zu versinken. Und dass sich Kliniken gezwungen sehen, gegen den Minister Schadensersatzklagen einzureichen, fällt vor allem auf ihn zurück. Denn es ist nun mal seine originäre Aufgabe als Bundesminister, die auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser zu sichern. 

Autor

 Jens Mau

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