Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat inzwischen eine zweite Corona-Prämie für Klinikbeschäftigte angestoßen. Die Reaktionen darauf sind durchwachsen. Es heißt, die erneute Diskussion sei „nicht verständlich“, zumal noch nicht alle Prämien der ersten Welle ausgezahlt worden sind. Eine andere Reaktion mahnt, die Einmalzahlungen seien in der Pflege mittlerweile als „Schweigegeld“ verpönt, da sie an den grundsätzlichen Problemen nichts ändern.
Das zeigt, insbesondere die Pflegekräfte lassen sich mit einem kurzen Schulterklopfen in Form einer Corona-Prämie nicht länger abspeisen. Sie treibt die Sorge um, dass die Wertschätzung für ihre Arbeit wieder verfliegt, wie der Applaus von den Balkonen in der ersten Welle der Pandemie. Um hier Vertrauen gut zu machen, muss die Bundesregierung noch vor der Bundestagswahl im Herbst ein klares Zeichen setzen, mit dem die Arbeitsbedingungen in der Pflege nachhaltig verbessert werden. Dies muss über das Instrument Corona-Prämie hinausgehen.
Die Pläne dafür liegen auf dem Tisch. Die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) hat dafür zahlreiche Vorschläge gemacht. Doch „Maßnahmen auf den Weg gebracht“, wie es im KAP-Umsetzungsbericht vom November 2020 an vielen Stellen heißt, das reicht nicht aus. Die Verbesserungen müssen im Arbeitsalltag der Pflegenden vor Ort ankommen, damit sie spürbar sind und neues Vertrauen wächst. Dazu gehören eine fundierte Pflegepersonalbemessung, die sich am Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten orientiert und eine faire, angemessene Bezahlung in allen Einrichtungen. Dazu gehört auch, dass die eigenverantwortliche Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten durch Pflegefachkräfte - genauso wie in den europäischen Nachbarländern - jetzt schnell in der Regelversorgung Fuß fasst. Zudem müssen die Weiterbildung und die akademische Ausbildung weiter ausgebaut und gestärkt werden.
Die Mitarbeitenden in den Kliniken haben sich die Corona-Prämien mehr als verdient. In den zurückliegenden Monaten haben sie Außerordentliches geleistet, um die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten mit und ohne Corona-Infektion sicherzustellen. Dies unter Pandemiebedingungen zu leisten, ist eine besondere Herausforderung, die sie jeden Tag neu vorbildlich meistern.
Doch mit dem Modell zur Verteilung der Prämien in den Kliniken, das Politik und Krankenkassen faktisch vorgegeben haben, wurde vor Ort auch viel Frustration gesät. Anspruch auf die erste Prämienzahlung hatten 433 Kliniken. Gab es zum Stichtag nur einen Corona-Patient zu wenig, gingen die Beschäftigten eines Hauses komplett leer aus. Der neue Vorstoß der Bundesregierung hält an diesem schwierigen Verteilmechanismus grundsätzlich fest. Immerhin dürfen nun knapp über 1.000 Häuser mit Prämien rechnen. Doch es werden weiterhin Menschen leer ausgehen, die sich ebenso engagiert für das Funktionieren der Patientenversorgung in der Pandemie eingesetzt haben.
Hier muss die Politik nachsteuern. Für die Klinikpflegekräfte sollte die Bundesregierung eine Regelung analog zur Altenpflege treffen, so dass hier alle diese verdiente Anerkennung bekommen. Und die Politik muss neben der kurzfristigen Wertschätzung durch Einmal- oder Zweimalprämien dafür sorgen, dass weitreichendere Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen in der Pflege schnellstmöglich vor Ort ankommen und spürbar werden.