In Nordrhein-Westfalen ist die Krankenhausreform seit 2022 in vollem Gange. Nun befindet sich der „Vorreiter auf der Zielgeraden“, wie es auf dem diesjährigen DRG|Forum in Berlin hieß. Noch in diesem Jahr verschickt das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium (MAGS) die Feststellbescheide. Darin wird es den Krankenhäusern mitteilen, welche Leistungen sie künftig erbringen dürfen und welche nicht. Etwa 6.200 Bescheide stehen an, erklärte die Leiterin des Referats Krankenhausplanung, Sahra-Michelle Reinecke. „Dabei werden wir uns auch vor schwierigen Entscheidungen nicht wegducken.“
Dr. Jörg Noetzel, Medizinischer Geschäftsführer des Klinikums Darmstadt, führte durch die Session. „Was kann man auf Bundesebene von NRW lernen?“, fragte der bekennende „Fan der NRW-Reform“ in die Runde. Eine Antwort gab er gleich vorab: Die Einbeziehung der verschiedenen Player habe in NRW gut geklappt.
Das Bett hat in der Planung ausgedient
Die Krankenhausreform von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann beruht auf dem „Gutachten zur Analyse der Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen“. Laumann hat nicht alles aus diesem Papier übernommen, seine Reform stellt die Krankenhausplanung dennoch auf neue Füße: Statt die „starre Plangröße Bett“ zu Grunde zu legen, soll sie von den tatsächlichen Fallzahlen ausgehen. Außerdem werden 30 medizinische Leistungsbereiche und 60 Leistungsgruppen ausgewiesen, die die jeweiligen Fachgebiete und ihre Unterdisziplinen abbilden. Es gebe strukturelle Mindestvoraussetzungen, die die Krankenhäuser erfüllen müssen, erläuterte Reinecke. Danach finde eine Bestenauslese über bestimmte Auswahlkriterien statt. „Wir wollen den Patientinnen und Patienten ein Qualitätsversprechen geben“, so Reinecke. Sie gab sich überzeugt, dass die Kriterien auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würden, falls Krankenhäuser gegen die Entscheidung des Ministeriums klagen.

„Man kann sich nicht früh genug auf die Krankenhausreform vorbereiten“, unterstrich Dr. Nils Brüggemann, Vorstandsvorsitzender der St. Franziskus-Stiftung, zu der unter anderem 14 Krankenhäuser mit mehr als 4.000 Betten gehören. Unter anderem solle man sich Klarheit darüber verschaffen, wie die einzelnen Standorte personell und technisch aufgestellt sind und ob sie die jeweiligen Qualitätsvorgaben erfüllen können. „Denn wenn der Feststellbescheid kommt, geht es sofort los“, unterstrich er, „ein Widerspruch entfaltet dann keine aufschiebende Wirkung mehr.“ Brüggemann betonte, dass gute Versorgungsstrukturen nur im Dialog gefunden werden. So habe es für die Krankenhäuser der St. Franziskus-Stiftung insgesamt nur wenige Mengenverschiebungen gegeben. Zwar hätten die Kostenträger mehr als ein Viertel der beantragten Leistungsgruppen nicht anerkannt; aber ursprünglich wollten sie noch weniger akzeptieren.
Gefragt sind neue Geschäftsmodelle
Die St. Franziskus-Stiftung habe im Zuge dessen viel über eine Regionalversorgung im Sinne einer „Hub and Spoke“-Vernetzung nachgedacht. Dabei werde das St. Franziskus-Hospital in Münster als zentraler Versorger betrachtet, an den kleinere Häuser in der Umgebung angebunden sind. Das tradierte Modell, dass ein Chefarzt an einem Standort für eine Fachabteilung zuständig ist, habe ausgedient. Stattdessen sei ein Kollegialsystem gefragt, in dem die Versorgung standortübergreifend stattfindet. „Wir haben uns beispielsweise dazu entschieden, dass Ösophagus- und Rektumeingriffe nur noch im St. Franziskus-Hospital durchgeführt werden und Eingriffe an Pankreas und Leber nur noch im Herz-Jesu-Krankenhaus in Münster-Hiltrup“, erläuterte Brüggemann. Letztendlich habe das aufgrund der Spezialisierung und dem damit verbundenen Qualitätsvorteil sogar zu einer Fallzahlsteigerung geführt.
Starke Planungsentscheidungen sind möglich
„Karl-Josef Laumann ist es wirklich ernst mit seiner Reform“, unterstrich Dr. Simon Loeser, Bereichsleiter Krankenhaus-Reha bei der AOK Rheinland-Hamburg. Das Land habe auch schon unter Beweis gestellt, dass es starke Planungsentscheidungen treffen könne, um regionale Strukturen zu modernisieren. Als etwa ein Krankenhausträger in der Region Solingen und Mettmann in wirtschaftliche Schieflage geraten sei, habe das Ministerium sehr schnell reagiert und festgelegt, welche Krankenhäuser ab November 2023 welche Leistungen noch durchführen dürfen. Die NRW-Reform tauge darüber hinaus nicht nur für eine differenzierte Krankenhausplanung, sondern auch für die Implementierung der Vorhaltefinanzierung – „insofern könnte sie eine Art Multitool sein“, so Loeser. Indem sie Planung und Finanzierung miteinander verknüpfe, ermögliche sie eine qualitätsrelevante Steuerung der Leistungen. „Das ist eine große Chance, die Länder zu starken Planungsentscheidungen zu zwingen“, sagte der AOK-Mann.

Dabei gehe es nicht darum, alle Leistungen zu steuern, sondern nur diejenigen, die für die Qualitätssteuerung relevant sind. Er betonte außerdem, dass sich die Versorgungsstrukturen evolutionär weiterentwickeln sollen. „Wir wollen keine Fachabteilungen wegbomben“, betonte Loeser. Wenn eine Abteilung eine Leistung nicht mehr erbringen dürfe, bedeute das nicht das Aus – sondern lediglich, dass sie möglicherweise für den ärztlichen Nachwuchs nicht mehr attraktiv ist.
Als „kurios“ bezeichnete er es, dass im Referentenentwurf für die Reform auf Bundesebene eine fallbasierte Vorhaltevergütung vorgesehen ist. „Wenn heute der OP-Saal abbrennt, ist das Krankenhaus morgen nicht mehr liquide“, sagte er. Das konterkariere das eigentliche Ziel – nämlich ein Krankenhaus krisenfest zu machen. Dafür dürfe die Vorhaltefinanzierung nicht von den Fallzahlen abhängen. Würde der „Mengenturbo“ ausgeschaltet, würde die Vergütungskomplexität abnehmen und ein echter Qualitätswettbewerb beginnen können.
Auch Reinecke äußerte Kritik an der Bundesreform. NRW-Minister Karl-Josef Laumann habe Wert darauf gelegt, alle beteiligten Akteure in den Reformprozess einzubeziehen. Das Ziel bestand darin, im Konsens festzulegen, wie die Krankenhäuser in einer Region künftig zusammenarbeiten können. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach lasse eine ähnlich stark ausgeprägte Gesprächsbereitschaft vermissen. „Eine Regierungskommission einzusetzen ist nicht das Problem“, sagte Reinecke. „Problematisch ist es, wenn außer der Kommission niemand sonst eine Diskussionsgrundlage liefert.“ Sie vermisse auch Auswirkungsanalysen, die das NRW-Ministerium für NRW erstellt habe. Außerdem betonte Reinecke, dass die Länder bei der Krankenhausplanung Beinfreiheit bräuchten – „das sind gewachsene Strukturen, die sollte man erhalten.“