Nur knapp zwei Drittel der psychiatrischen Krankenhäuser halten die Mindestvorgaben für Personal ein, mahnt der GKV-Spitzenverband. Er beruft sich dabei auf Auswertungen des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG), die im Januar veröffentlicht wurden. 50 Prozent der Krankenhäuser für Kinder- und Jugendpsychiatrie und knapp 40 Prozent der psychiatrischen Krankenhäuser setzten im zweiten Halbjahr 2021 weniger Behandlungspersonal ein, als die bundesweite Mindestpersonalvorgabe vorschreibt, so der Kassenverband.
"Dass jedes dritte psychiatrische Krankenhaus die Personalmindestvorgaben nicht einhält, macht uns große Sorgen und belegt, wie wichtig die Personaldokumentation in der Patientenversorgung ist. Dabei berücksichtigt die PPP-Richtlinie sehr wohl schon weitreichende Ausnahmen, wie beispielsweise in der Corona-Pandemie“, sagt Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende GKV-Spitzenverband. Zudem vewendet jede fünfte Psychiatrie das vereinbarte Personalbudget auch für andere Zwecke und nicht vollständig für therapeutisches Personal. "Die nunmehr für 2021 vorliegenden Zahlen lassen befürchten, dass diese Zweckentfremdung weiterhin erfolgt", so Pfeiffer.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wirft dem GKV-Spitzenverband vor, mit nicht aussagekräftigen Daten zu argumentieren. "Im zweiten Halbjahr 2021 war das Verfahren für die Mindestvorgaben in der Psychiatrie noch in der Implementierungsphase. Zudem ist den Kassen wohl entgangen, dass zu diesem Zeitpunkt durch die Corona-Pandemie eine besondere Situation bei Patientenbetreuung, Patientenbelegung und Personalsituation herrschte", teilte der Verband mit. Er sieht sich zudem in seiner grundsätzlichen Kritik an der PPP-RL bestätigt. Wenn die Vorgaben schon in einer einzigen von insgesamt sechs Berufsgruppen nicht eingehalten werden können, gelte die Mindestvorgabe in Gänze als nicht erfüllt. "Tatsächlich erfüllen über 90 Prozent der Kliniken über alle sechs Berufsgruppen hinweg die Mindestanforderungen."
Die Argumentation des Kassenverbandes sei unseriös, kritisiert Paul Bomke, Vorsitzender der Fachgruppe psychiatrischer Einrichtungen des Verbands der Krankenhausdirektoren (VKD). "Eine 100-prozentige Erfüllung – so wie der GKV-SV es tendenziös in seiner Pressemitteilung darstellt – war in 2021 zwar wünschenswert, aber von allen Partnern in der Selbstverwaltung und im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als nicht realistisch bewertet." Das Jahr 2021 sei bewusst sanktionsfrei gehalten worden, und die Mindestvorgaben mussten nur zu 85 Prozent erfüllt werden. Bomke verweist zudem auf eine Umfrage unter den Mitgliedern seines Verbands, wonach viele Krankenhäuser vor Ort massive Probleme hätten, ein Budget mit den Krankenkassen zu vereinbaren, dass eine 100-prozentige Umsetzung der Richtlinie überhaupt finanzieren würde. "Eine Verbesserung der Personalausstattung kann nur gelingen, wenn die Kostenträger auch die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen, damit die Krankenhäuser das notwendige Personal beschäftigen können."
Bomke weist zudem den Vorwurf einer zweckfremden Mittelverwendung zurück. "Seit 2016 legen die Krankenhäuser jährlich offen, wie viel Geld sie von den Kassen für Personal erhalten haben und wofür es verwendet wurde. Dieser Nachweis wird von unabhängigen Wirtschaftsprüfern testiert und vom InEK erfasst. Eine Zweckentfremdung der Mittel könnte also längst von den Kassen datengestützt angeprangert und Rückzahlungen eingefordert werden." Eine Verquickung der Richtlinie mit Strukturdiskussionen um einen möglichen Bettenabbau hält Bomke zudem für wenig hilfreich. "Eine Verbesserung der Versorgung kann nur mit neuen Konzepten, wie sie zum Beispiel mit der stationsäquivalenten Behandlung (StäB) und mit Modellvorhaben nach § 64b SGB V, erreicht werden."
Die Mindestpersonalvorgaben hatte der G-BA 2019 erstmals in der Richtlinie über die Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik erlassen (PPP-RL). Die PPP-RL regelt die Personalanzahl, die in einem psychiatrischen Krankenhaus mindestens anwesend sein muss. Dies umfasst die Bereiche aus Ärzteschaft, Psychologie, Pflege, Spezialtherapie, Bewegungstherapie sowie Sozialarbeit.