Bund und Länder konnten sich nicht auf Eckpunkte für die Krankenhausreform einigen. Die Entscheidung ist auf den 10. Juli vertagt. Die Klinikszene reagierte mit Enttäuschung, Besorgnis und Kritik. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisierte vor allem, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) keine Mittel für einen Inflationsausgleich bereitstellen will. Zwar können die Länder mit den 2,5 Milliarden Euro aus dem Energiefonds rechnen. Es ist aber offensichtlich, dass das nicht reichen wird. „Die Botschaft, die die heutige Bund-Länder-Runde an die Bevölkerung ausgesendet hat, lautet: Der kalte Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft und das Kliniksterben werden weitergehen und sogar eine neue Dynamik entfalten“, warnt DKG-Chef Gerald Gaß. Es gehe weder um Rettungsgeld mit der Gießkanne noch um Almosen, sondern um die gesetzlich gebotene Anpassung der Erlöse. Nun würden viele Geschäftsführungen von der Politik gezwungen, unmittelbar einen Antrag auf Insolvenz zu stellen, weil sie absehbar die Rechnungen des Krankenhauses sowie Löhne und Gehälter nicht mehr bezahlen könnten. „Das ist eine Katastrophe und stellt eine noch nie dagewesene Bedrohung, der für die Gesundheitsversorgung wichtigsten Infrastruktur in Deutschland, dar“, sagte Gaß. Ähnlich äußerte sich DKG-Präsident Ingo Morell, der gleichzeitig Chef der nordrhein-westfälischen Krankenhausgesellschaft ist. Die Bundesregierung verletze ihre gesetzliche Pflicht, die Betriebskosten der von den Ländern als bedarfsnotwendig festgestellten Krankenhäuser sicherzustellen.
VDEK: Qualitätsberichte reichen nicht aus
Der Ersatzkassenverband VDEK warnte: „Wir beobachten mit Sorge, dass aus den Reihen der Bundesländer die Vorschläge der Regierungskommission immer weiter relativiert werden und zusätzliche Finanzmittel aus Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber ins Zentrum der Verhandlungen rücken.“ Außerdem seien bundeseinheitliche Qualitätsstandards unerlässlich. „Die aktuellen Qualitätsberichte der Krankenhäuser reichen da nicht aus. Aus diesem Grund sind wir der Regierungskommission zur Krankenhausreform dankbar, dass sie im Rahmen ihrer Potenzialanalyse in der letzten Woche aufgezeigt hat, dass die Wahl des richtigen Krankenhauses über Leben und Tod entscheiden kann”, schreibt der Verband.
Radbruch: Vorhaltefinanzierung führt zu Problemen
Enttäuscht zeigte sich der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV). Nun fehle der verlässliche Rahmen für die Umgestaltung der Krankenhausstrukturen wie auch die Planungssicherheit für die dafür notwendigen Mittel“, so DEKV-Vorsitzender Christoph Radbruch. Er unterstrich aber auch seine Kritik am vorliegenden Reformwerk: Besonders die „angedachte Verknappung von Kapazitäten durch den Leistungskorridor im Vorhaltebudget“ werde zu Problemen führen. Wird im Voraus festgelegt, wie viel Geld einem Krankenhaus – unabhängig von seiner tatsächlichen Leistung – zur Verfügung steht, „gibt es keine finanziellen Anreize, überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen oder effizient zu arbeiten“, so Radbruch. Außerdem entspreche die pauschale Zuschreibung von Koordinierungs- und Steuerungsaufgaben an Universitätsklinika oder Maximalversorger nicht der Realität.
Nächstes Treffen „open-end“
Der Grüne Bundestagsabgeordnete Armin Grau, der beim Bund-Länder-Treffen anwesend war, bedauerte, dass keine Einigung zustande kam. Die Debatte habe aber gezeigt, dass eine Einigung möglich ist. Optimistisch zeigte sich auch der stellvertretende gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Christos Pantazis: „Auch wenn die Aushandlungsprozesse zwischen den Akteuren nicht immer einfach waren, besteht bei allen die Einsicht der Notwendigkeit eines Gelingens der Krankenhausreform. Das hat die heutige Sitzung nochmal eindeutig gezeigt.“
Lauterbach hatte nach dem Bund-Länder-Treffen Zuversicht versprüht und gesagt, man stehe kurz vor einer bahnbrechenden Reform. Beim entscheidenden Treffen am 10. Juli soll es eine Verhandlungsrunde mit „open-end“ geben, kündigte er an. Der Minister hält am Zeitplan fest, der ein Reformgesetz zum Jahresbeginn 2024 vorsieht.
Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) betonte, dass sich im Grundsatz alle einig seien, „dass eine Reform zwingend notwendig ist“.