Gesundheitsminister Lauterbach hat die Zustimmung der Länder zum Transparenzgesetz mit dem Geld der Krankenversicherten erkauft. Dieser Griff in den Gesundheitsfonds ist dreist, kommentiert Wulf-Dietrich Leber vom GKV-Spitzenverband.
Wie scharf darf man einen Gesundheitsminister kritisieren? Ein Politiker immerhin, von dem Journalisten sagen, er wäre der erste vom Volk direkt gewählte Minister – Twitter sei Dank. Nun muss man Karl Lauterbach zugutehalten, dass Veränderungen im deutschen Gesundheitswesen nicht gerade Selbstläufer sind. Digitalisierung, die überfällige Bürgerversicherung oder Ambulantisierung lassen grüßen. Da ist kühnes Vorgehen gefragt. Aber Achtung: Zum berühmten Burgunderkönig „Karl der Kühne“ heißt es auf Wikipedia: "Karl ist das Paradebeispiel eines Herrschers, der sich binnen kürzester Zeit durch übersteigerten Ehrgeiz um ein großes Reich und noch dazu um Kopf und Kragen bringt."
Was aber derzeit im Umfeld des sogenannten Krankenhaustransparenzgesetzes passiert, ist nicht besonders kühn, sondern eher dreist. Die Rede ist vom Griff Karl Lauterbachs in den Gesundheitsfonds zwecks Einrichtung eines Bund-Länder-Transformationsfonds.
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Genau gesagt beginnt die Dreistigkeit schon mit der Ankündigung, erstmalig Transparenz über die Qualität der Krankenhäuser zu schaffen. Hallo? Seit dem Jahr 2005 gibt es Qualitätsberichte der Krankenhäuser und sie sind Basis für zahlreiche Portale wie Klinikloste, Klinikfinder, AOK-Gesundheitsnavigator, Weiße Liste und „Deutsches-Krankenhaus-verzeichnis.de“. Der angekündigte Atlas wird zu weit über 90 Prozent aus den QS-Informationen bestehen, die jetzt schon verfügbar sind. Einziger Unterschied: Künftig steht in der Fußzeile: "Ihre Gesundheit verdanken Sie Karl Lauterbach."
Objektiv besteht ein Bedarf an bundeseinheitlichen Strukturinformationen, um die verkorkste Krankenhauslandschaft neu zu ordnen. Der Widerstand der Länder und der Krankenhausgesellschaft dagegen ist grotesk. Aber kann das ein Grund sein, mal so eben 25 Milliarden Euro enteignungsgleich aus dem Gesundheitsfonds zu entwenden? Die Transformation, so sie denn temporär mehr kostet als sie einspart, wird zurecht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen – gemeinsam zu finanzieren aus einem Bund-Länder-Fonds. Was nun aber im Rahmen einer sogenannten „Protokollnotiz“ verkündet wurde, ist nicht die Finanzierung aus dem Bundeshaushalt, sondern der direkte Zugriff auf Gelder der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der Missgriff hat ärgerlicherweise eine gewisse Tradition. Als man 2015 Marktaustrittshilfen für Krankenhäuser in Form eines „Strukturfonds“ geschaffen hat, bemächtigten sich die Länder dieser Gelder. Beitragsgelder der Versicherten und Arbeitgeber wurden zu Einnahmen der Länder – ein Vorgang, der noch auf seine verfassungsrechtliche Aufarbeitung wartet. Die Konstruktionsfehler sind mannigfaltig: Wo bleibt eigentlich die Beteiligung der privaten Krankenversicherung? Wo bleibt die Kofinanzierung der Länder, wenn deren Anteil auf die Krankenhausträger abgewälzt werden konnte? Wo bleibt eigentlich das Antragsrecht der Krankenhäuser? Wo ist das paritätische Mitbestimmungsrecht der Krankenversicherung bei der Vergabe der Gelder?
Wenn sich die Länder erst eine Finanzierungsquelle erschlossen haben, dann ist die Zweckentfremdung nicht weit: Bei den aktuell 49 Anträgen der Länder geht es nur in einem Fall um eine Schließung. Und just in dem Moment, wo dieses verfehlte Konstrukt zu Ende dieses Jahres ausläuft, verkündet Karl der Dreiste, dass er einen Transformationsfonds nach dem gleichen Strickmuster einführen will. Und zwar in einer gigantischen finanziellen Dimension – eine Art Klinik-Wumms.
Nun hat es Karl nicht leicht. Der zweite amtierende Gesundheitsminister, Christian Lindner, hat die FDP-Devise ausgegeben „Kein Geld zur Rettung von Lauterbach!“ Nachvollziehbar. Völlig inakzeptabel ist es aber, die Zustimmung der Länder mit Beitragserhöhungen erkaufen zu wollen. Das könnte der Ampel schlecht bekommen. Es ist vielleicht der Zeitpunkt, wo der Bruder des Kanzlers mal mit seinem Bruder reden müsste. Und die Beitragszahler werden wohl über neue Widerstandsformen nachdenken müssen. Tennisbälle sollen sich ja bewährt haben.