Arbeitsunterbrechungen und Multitasking-Situationen gehören zu bedeutenden Stressoren im klinischen Arbeitsalltag. Sie verursachen (emotionale) Erschöpfung und führen zu Unzufriedenheit und Fluktuation in deutschen Kliniken. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Defragmentierung des Arbeitsalltags eine bedeutende Chance darstellt, um das tägliche Arbeitserleben des Gesundheitspersonals im klinischen Umfeld stressreduzierter zu gestalten.
Die tägliche Arbeit in Kliniken ist mit vielen Unterbrechungen verbunden – das liegt in der Natur der Sache. Allerdings ist ein Großteil dieser Unterbrechungen auf Prozessfehler und nicht auf die Patienten selbst oder plötzliche Notfälle zurückzuführen. Multitasking und ständige Arbeitsunterbrechungen beeinträchtigen jedoch vor allem die von unserer Fokussierungsfähigkeit abhängigen kognitiven Funktionen. Dazu gehören unter anderem
• das Erkennen von Problemen,
• die Einleitung von passenden Maßnahmen,
• die Fähigkeit zu priorisieren,
• die Empathie und
• die eigene Impulskontrolle.
Priorisieren zu können ist im klinischen Alltag, der von Informationsüberflutung sowie Aufgaben- und Anfragenvielfalt geprägt ist, eine der wichtigsten Kompetenzen überhaupt. Man hat festgestellt, dass Medikationsfehler sowohl durch das pflegende als auch das ärztliche Personal besonders infolge von Unterbrechungen auftreten und dass die Unterbrechungsfrequenz positiv mit dem Schweregrad der Fehler korreliert. Auch in der Chirurgie und der Anästhesie wurde eine erhöhte Fehlerrate als Auswirkung von Unterbrechungen ermittelt, und Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte bezeichnen diese als wesentlichen Faktor, wenn man sie nach ihrer Arbeitsbelastung und -bewältigung fragt.
Großes Engagement und hohe Motivation können nicht den Umstand kompensieren, dass bestimmte Leistungsgrenzen permanent überschritten werden müssen. Die spezifischen, aus Fragmentierung und Multitasking resultierenden Folgen, Stress und Erschöpfung, können weder durch eine hohe Identifikation noch durch ein positives Stress Mindset kompensiert werden, wie 2022 in einer Tagebuchstudie zu Fragmentierung und Multitasking ermittelt wurde.
Das Focused Hospital Modell ermöglicht eine Defragmentierung des Arbeitsalltags und stärkt die Resilienz des Gesundheitspersonals und der Klinikorganisation. Der größte Hebel liegt in der Identifikation von Stör- und Unterbrechungsfaktoren in den täglichen Prozessen und deren Eliminierung.
Klinikleitungen, aber ebenso Stationen und Stationsteams haben mit der Anwendung des Modells die Möglichkeit, Arbeitsabläufe innerhalb ihrer Häuser zukunftsweisend zu verändern, um positive stressmindernde Effekte für die Mitarbeitenden zu erreichen.