Bund und Länder haben sich am Montag doch noch auf Eckpunkte für die Krankenhausreform geeinigt. Endlich gehe es voran, lauten einige Reaktionen. Doch viele Details blieben noch im Unklaren, vieles müsse man noch abwarten, vieles müsse noch nachgebessert werden. Bibliomedmanager.de hat die Reaktionen der Klinikszene zusammengefasst.
Aktualisiert am 12.07.2023
VUD: Bessere Qualität der Patientenversorgung
Leistungsgruppen, Vorhaltefinanzierung und Versorgungslevel sowie die überregionale Koordination durch Universitätsklinika würden maßgeblich dazu beitragen, die Qualität der Patientenversorgung in Deutschland zu verbessern, so die deutschen Universitätsklinika. „Durch die Übernahme der Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben werden Universitätsklinika regionale Strukturen weiter unterstützen und gemeinsam mit anderen Krankenhäusern die flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung gewährleisten. Es ist richtig, dass zur Finanzierung dieser wichtigen Aufgaben zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden. Auf dieser Basis lässt sich die Krankenhausstruktur zukunftsfest weiterentwickeln“, betont Jens Scholz, 1. Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD).
Die Universitätsklinika begrüßen zudem die Initiative des Bundes zur Einteilung von Krankenhäusern nach Versorgungsleveln. Dies werde zu mehr Transparenz und Orientierung führen. Gleichzeitig würden so auch Entwicklungsperspektiven für die Krankenhausstruktur aufgezeigt. Daher sei es richtig, dass Bund und Länder für den Transformationsprozess eine Verlängerung und Ergänzung des Krankenhausstrukturfonds vorsehen.
DEKV: Eckpunkte enthalten viele Prüfaufträge
Das Eckpunktepapier setze ein klares Bekenntnis für die Bedeutung der Profession Pflege bei der Versorgung von Patient:innen im Krankenhaus, sagt Christoph Radbruch, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbands (DEKV). Als reguläres Mitglied im Krankenhaus-Leistungsgruppen-Ausschuss bringe die Pflege auf Systemebene ihren Fokus in die Weiterentwicklung der Leistungsgruppen und damit der Krankenhausversorgung ein. Als geschäftliche Leitung der Level-1i-Krankenhäuser könne sie die Pflege die sektorenübergreifende Versorgung vor Ort stärken.
Beim Umstieg zu Vorhaltepauschalen lasse die angedachte Verknappung von Kapazitäten durch den Leistungskorridor im Vorhaltebudget ein ernstzunehmendes Problem aufziehen. Auch bestehe das Risiko, dass Krankenhäuser bei den vorgesehenen Kriterien zur Verteilung der Vorhaltekosten benachteiligt behandelt werden. Enttäuschend sei, dass die Eckpunkte noch eine Vielzahl an Prüfaufträgen enthalten. So sind keine wirtschaftlichen Soforthilfen für Krankenhäuser, keine Anpassung der Landesbasisfallwerte zur Kompensation der Kostensteigerungen, keine Steigerung der Vorhaltekosten außerhalb der Veränderungsrate und keine Abbildung der Tarifabschlüsse in den Vorhaltekosten enthalten.
BDPK: Kernfragen bleiben ungelöst
Nach Ansicht des Bundesverbands deutscher Privatkliniken (BDPK) fehlen noch konkrete Lösungsansätze zur Überwindung der zentralen Probleme. Die aktuell bestehende Unterfinanzierung der Kliniken werde ebenso wenig beseitigt wie der Fachkräftemangel und die Überbürokratisierung. Stattdessen müssten sich die Patient:innen wegen der absehbaren Dezimierung von Krankenhaus-Kapazitäten bei gleichzeitiger Entkopplung der Finanzierung von der tatsächlichen Leistungserbringung auf längere Wartezeiten bei medizinisch notwendigen Behandlungen einstellen. Zudem sei die angestrebte Entökonomisierung mit den vorgesehenen Instrumenten kaum zu erreichen.
NKG: Defizit in einem Vorschaltgesetz auffangen
Aus Sicht der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) fehlen den Eckpunkten wesentliche Voraussetzungen. Insbesondere die fehlende Verständigung auf ein Vorschaltgesetz zur finanziellen Absicherung der Krankenhäuser stelle die Erfolgsaussichten für einen geordneten Umbau der Krankenhauslandschaft infrage und widerspreche den Reformzielen.
Die aufgelaufenen Defizite müssten in einem Vorschaltgesetz aufgefangen werden, fordert NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke. Eine nur unverbindliche Prüfung finanzieller Hilfen reiche nicht aus. Außerdem müsse Klarheit über die Finanzierung der Investitionen in erforderliche Strukturmaßnahmen herrschen. „Eine Reform, die im Kern lediglich auf die Schließung von Krankenhäusern zielt und die keinerlei zusätzliche Investitionen vorsieht, wird nur eines erreichen: Eine schlechtere Versorgung der Patientinnen und Patienten und eine höhere Belastung der Mitarbeitenden." Darüber hinaus werde der Strukturwandel absehbar einen Neu- und Umbau sowie in Teilen den Abbau von Krankenhäusern nach sich ziehen. Für diesen Transformationsprozess braucht es zwingend ein Investitionsprogramm bzw. einen Strukturfonds.
Gemischte Gefühle beim Klinikverbund Hessen
Fraglich sei, ob die in den Eckpunkten festgelegten Maßnahmen tatsächlich die gewünschte steuernde Wirkung entfalten und überhaupt rechtzeitig greifen würden, meint Clemens Maurer, Vorstandsvorsitzender des Klinikverbunds Hessen. Die aktuellen finanziellen Probleme der Krankenhäuser seien wieder einmal ignoriert und nur mit vagen und unzureichenden Aussagen bedacht worden, kritisiert Achim Neyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Klinikverbunds Hessen.
Man sei froh, dass einige Anregungen und Forderungen aufgenommen wurden, sagt Reinhard Schaffert, Geschäftsführer des Klinikverbunds Hessen, wie etwa die Abschaffung der OPS-Strukturprüfung im Rahmen der Einführung der Leistungsgruppen oder die Berücksichtigung der Fachkliniken und der fallbezogenen Sachkosten. Das Grundproblem der strukturellen Unterfinanzierung der Krankenhäuser werde jedoch nicht gelöst. Zudem gebe es keine eindeutige Verpflichtung der Länder zu einer auskömmlichen Investitionsfinanzierung. „Die Ausformulierung im Gesetzestext wird eine erhebliche Bedeutung haben, ob die Reform umsetzbar oder zu einem Bürokratiemonster wird“, meint Schaffert.
APS: Patientensicherheit wird nur spärlich genannt
Deutliche Kritik übt Joachim Maurice Mielert, Generalsekretär des Aktionsbündnises Patientensicherheit (APS) aus: Die "Revolution", die der Minister erneut postulierte, werde in einem Strudel von Unausweichlichkeiten, stabil platzierten Besitzständen, langfristigen Versorgungs- und Investitionsabkommen sowie wiederkehrend in regional inszenierten Bürgerbegehren versinken. Tatsache sei, dass die anstehenden Level-Taxierungen für Kliniken auf massive Widerstände bei kommunalen und kirchlichen Trägern treffen werden und dass der Graben zwischen den Leistungserbringern und der Kostenträgerwirtschaft nun tiefer sei, als je zuvor.
"Die Patientensicherheit, die im Sinne von zu begrüßenden Qualitätstransparenzen die immer prioritäre Leitplanke für jede Prozesskette sein muss, bleibt auch an Tagen wie diesen allenfalls spärlich genannt", so Mielert weiter. Versorgungssicherheit, Qualitätsnormen, Gesundheitskompetenz, Kostenregulierung, Solidaraspekte, Auskömmlichkeit, Staatsfinanzen, Konsensgebahren, Parteidisziplin, Föderalismus und Bürgernähe seien wichtige Aspekte. "Die Patientensicherheit ist jedoch die einzige zielführende Maxime, die der Versorgungsreform revolutionären Charakter verleihen könnte."
AOK: Keine faulen Kompromisse auf Kosten der Qualität
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, warnt davor, "dass zu viele Abstriche in Sachen Qualität gemacht werden, die auf Kosten der Patientinnen und Patienten gehen". Wichtig sei, dass die Reform auch tatsächlich eine qualitätsorientierte Konzentration der Krankenhaus-Leistungen bringt. Es kommen nun darauf an, wie das Gesetz im weiteren Prozess konkret ausgestaltet wird. "Die Einführung der Leistungsgruppen ist für uns das zentrale Element der Reform. Sie sollten allerdings auf der Bundesebene vorgegeben werden – ohne faule Kompromisse auf Kosten von Qualität und Patientensicherheit." Die Vorhaltefinanzierung laufe zudem Gefahr, nicht wirklich den Sprung weg von der Fallpauschalen-Fixierung zu schaffen. Hier müsse deutlich nachgebessert werden.
TK: Patienten werden profitieren
"Die heutige Einigung auf die Eckpunkte ist ein großer Schritt für mehr Qualität in der Krankenhausversorgung", kommentiert Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK). Die beschlossenen bundesweit einheitlichen Leistungsgruppen ermöglichten wesentlich präzisere Qualitätsvorgaben als sie bisher möglich gewesen seien. Die neu eingeführten Vorhaltekosten würden den Mengendruck auf die Kliniken reduzieren. "Das ist absolut im Interesse aller Beteiligten. Auch die verlässlichen Qualitätsprüfungen sind ein wichtiger Schritt für eine bessere stationäre Versorgung. Nun kommt es auf die Umsetzung an.“
Tino Sorge (CDU): Mehr offene Fragen als Antworten
„Die heutigen Eckpunkte zur Krankenhausreform sind leider nur ein Minimalkonsens zwischen Bund und Ländern, noch dazu ein später", sagt Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU. Eine belastbare Einigung werde in den Herbst verschoben: So lange herrsche in der Krankenhauslandschaft weiter Unsicherheit. Unklarheit bestehe weiter, wie der Bund den Reformprozess finanziell unterstützt und wann die Ergebnisse der versprochenen Auswirkungsanalyse vorliegen.
Ebensowenig sei eine zügige finanzielle Unterstützung der in Not geratenen Kliniken vereinbart. Wie eine flächendeckende Versorgung in ländlichen Gebieten und die Finanzierung der Transformationskosten gesichert werden sollen, bleibe weiter offen. Auch wie die nötige Unterstützung der Akteure vor Ort für die Krankenhausstrukturreform gewonnen werden soll, bleibe im Unklaren. "Unter dem Strich muss man sagen: Es bleiben mehr Fragen offen, als Antworten gegeben werden."
Scharfe Kritik aus der Pflege
Aus der Profession Pflege kommt scharfe Kritik an den Reformplänen. Der Stellenwert der professionellen Pflege werde ignoriert, urteilten der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe, der Bundesverband Pflegemanagement und der Verband der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz in einem gemeinsamen Statement. Ihr sei der Stellenwert einzuräumen, den sie für die Gesundheitsversorgung der Menschen hat. Im Statement heißt es dazu: "Alles andere ist ein Affront gegen die beruflich Pflegenden und es ist eine weitere verpasste Chance, die Gesundheitsversorgung und die Situation des Pflegepersonals zu verbessern."