Im Referentenentwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verlangt Minister Karl Lauterbach Einsparungen von Kassen, Ärzten, Apotheken, Industrie und Kliniken.
Der Entwurf des Gesundheitsministers Karl Lauterbach enthält vor allem kurzfristige Maßnahmen zur Stabilisierung der Kassenhaushalte. Denn im kommenden Jahr fällt der derzeitige Bundeszuschuss von 14 Milliarden Euro weg. Im Entwurf heißt es: „Ohne zusätzliche Maßnahmen würde der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in der GKV im Jahr 2023 von derzeit 1,3 Prozent um rund einen Prozentpunkt steigen und anschließend aufgrund der Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben jedes Jahr um weitere 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte zunehmen. Rund 16 Milliarden Euro entsprechen einem Beitragssatzpunkt.“
Kassen müssen Reserven abschmelzen
2023 will der Bund noch zwei Milliarden Euro zuschießen und außerdem ein Darlehen in Höhe von einer Milliarde Euro gewähren. Die Finanzreserven der Krankenkassen sollen abgeschmolzen werden. Im Entwurf heißt es: „Hierzu werden im Jahr 2023 die Finanzreserven der Krankenkassen, die abzüglich eines Freibetrags von zwei Millionen Euro 0,2 Monatsausgaben überschreiten, in zwei Stufen anteilig herangezogen und diese Mittel den Einnahmen des Gesundheitsfonds zugeführt.“
Pflegebudget: „Sonstige Berufe“ nicht mehr anrechenbar
Kliniken bekommen Lauterbachs Sparkurs beim Pflegebudget zu spüren: Ab 2024 sollen nur noch qualifizierte Pflegekräfte im Pflegebudget berücksichtigt werden – bisher können Krankenhäuser auch Hilfskräfte einpreisen. Vor allem „sonstige Berufe“ sollen rausfallen. Dazu zählen unter anderem MTAs in der Funktionsdiagnostik, Laborassistenten, OP-Assistenten, Radiologieassistenten, Apotheker, Psychologen, Hebammen, Krankengymnasten oder Absolventen eines freiwilligen sozialen Jahres (FSJ).
Gerald Gaß, Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), kritisiert die Pläne Lauterbachs mit klaren Worten: „Für die Krankenhäuser ist es inakzeptabel, dass nun drei Jahre nach Ausgliederung der Pflegekosten die Budgets noch einmal gekürzt werden sollen. Auf der anderen Seite verweigern sich die Krankenkassen nach wie vor massiv Abschlüssen von Pflegebudgets, die aber dringend für die Gehälter der Pflegekräfte benötigt werden. Minister Lauterbach betont immer wieder, wie wichtig gute Gehälter in der Pflege sind. Seine jüngsten Pläne widersprechen diesen Aussagen allerdings, denn gute Gehälter müssen finanziert werden.” Mit dem Pflegebudget hat der Gesetzgeber 2019 einen beträchtlichen Teil der Krankenhausfinanzierung aus den Fallpauschalen herausgesäbelt. Die Kassen werfen den Kliniken seit Einführung des Budgets doppelte Abrechnung der Pflegekräfte vor (im Pflegebudget und DRG-System). Darauf hat Lauterbach offenbar mit der Gesetzesvorlage reagiert.
Zumindest ein kleines Zugeständnis an die Kliniken hat Lauterbach in seinem Entwurf formuliert: Während der Streitigkeiten rund um das jährlich angestiegene Pflegebudget hatten sich GKV-Spitzenverband und DKG für die vergangenen zwei Jahre jeweils auf eine pauschale Absenkung der DRG-Erlöse geeinigt: Für 2021 wurden die Erlöse über den Case Mix um 200 Millionen Euro und für 2022 um 175 Millionen Euro abgesenkt. Diese Normierungen können laut Gesetzentwurf wieder in das DRG-System zurückgeführt werden.
Das Bundesgesundheitsministerium machte keine Angaben darüber, wie hoch das Einsparpotenzial durch die Straffung des Pflegebudgets ist. Derzeit kann über die genaue Höhe des Pflegebudgets nur spekuliert werden, da es kaum Abschlüsse gibt. Es soll 2022 zwischen 18 und 20 Milliarden Euro liegen.
Ärzte verlieren ihr Extrabudget
Für die niedergelassenen Ärzte soll die Neupatientenregelung wegfallen. Lauterbach-Vorgänger Jens Spahn hatte diese Regelung eingeführt, die Ärzten für die Behandlung von Patienten, die erstmals oder erstmals seit mehr als zwei Jahren wieder in der Arztpraxis behandelt wurden, mit zehn Euro extra vergütet. Einsparungspotenzial: mehrere hundert Millionen Euro.
Apotheken müssen Kassen mehr zahlen
Laut Entwurf soll außerdem wie schon im März angekündigt für Apotheken der Kassenabschlag für zwei Jahre (ab Inkrafttreten des Gesetzes) auf 2 Euro erhöht werden – bisher betrug er 1,77 Euro. Einsparen soll diese Maßnahme in den Jahren 2023 und 2024 laut Referentenentwurf 170 Millionen Euro.
Lauterbach kürzt Pharmaindustrie die Marge
Lauterbach plant für 2023 und 2024 eine Solidaritätsabgabe pharmazeutischer Unternehmer – genaueres muss noch geregelt werden. Einsparpotenzial: eine Milliarde Euro pro Jahr. Außerdem sollen die Preise für Pharmaprodukte auch über das Jahresende hinaus eingefroren bleiben. Das sogenannte Preismoratorium sollte eigentlich Ende Dezember auslaufen. Auch bei der Erstattung von Arzneimitteln plant der Gesetzgeber verschiedene Änderungen, die mehrere hundert Millionen Euro für die Kassen bringen sollen.