Orientierungswert

Nicht im Sande verlaufen

  • Orientierungswerte
Nicht im Sande verlaufen
© KKVD

„Die Lage ist ernst“, diese und andere Schlagzeilen waren im letzten Herbst über die Situation in den Notaufnahmen der Kliniken zu lesen. Die Rettungsstellen liefen über, Krankenwagen standen Schlange und Hilfesuchende mussten an andere Krankenhäuser weitergeschickt werden.

Sicher, zu dieser besonderen Zuspitzung haben der hohe Krankenstand und die Personalausfälle in den Kliniken sehr wesentlich beigetragen. Doch auch davor und danach war und ist es für viele Teams in Rettungsstellen harter Alltag, am Limit ihrer Kapazitäten zu arbeiten.  

Daher darf die Reform der ambulanten Notfallversorgung diesmal nicht scheitern oder erneut versanden. Die Regierungskommission hat mit ihrer vierten Empfehlung eine neue Debatte eröffnet und grundsätzlich gute Vorschläge gemacht. Integrierte Leitstellen (ILS) sind ein wichtiges Instrument, um die Patienten aus einer Hand zu den für sie passenden Versorgungsangeboten zu vermitteln. Diese Angebote müssen aber auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Die beste Bedarfsermittlung verläuft im Sande, wenn das notwendige Versorgungsangebot vor Ort nicht existiert, die Arztpraxis gerade keine Sprechzeiten hat oder der Facharzt keine neuen Patienten mehr annimmt. Der Aufbau neuer Strukturen wie die der pflegerischen Notfallversorgung oder eines psychosozialen Kriseninterventionsdienstes sind hier wegweisend. Auch ist es ein wichtiges Signal, dass die Kommission vor Ort gewachsene Kooperationsstrukturen zwischen Kassenärzten und Kliniken erhalten will. 

Wichtig für ein Gelingen dieser Reform ist es, die ambulanten Strukturen realistisch einzuschätzen und in einem ersten Schritt die Funktions- und Koordinationsfähigkeit der ILS zu gewährleisten. Dafür erforderlich ist ein digital verzahntes System, in dem die ambulanten Leistungskapazitäten auch wirklich vorhanden sind, in die die hilfesuchenden Patienten weitergeleitet werden sollen.  

Zur Rolle der Kliniken in der Reform ist der Vorschlag der Kommission, die Einrichtung Integrierter Notfallzentren (INZ) nur an Krankenhäusern mit Notfallstufe 2 oder 3 zuzulassen, nicht nachvollziehbar. Das wären allenfalls 40 Prozent der Kliniken, die derzeit im Rahmen der Stufen 1 bis 3 an der Notfallversorgung teilnehmen. Dies würde dazu führen, dass an den übrigen Krankenhäusern der Notfallstufe 1 die stationäre Notaufnahme nicht durch eine zentrale Ersteinschätzungsstelle („Tresen“) und eine KV-Notdienstpraxis ergänzt werden könnte.

Vorsicht ist auch geboten, die INZ mit neuen bürokratischen Regularien zu verknüpfen, beispielsweise einem festen Personalschlüssel pro Patient. In der Praxis sind die Notaufnahmen sehr unterschiedlich strukturiert und mit den anderen Klinikabteilungen verzahnt. Eine bundesweit aufgedrückte Schablone wird hier zum Problem. 

Für die Patienten ist wichtig, dass die Ersteinschätzung fachlich kompetent, schnell und reibungslos funktioniert und sie danach bedarfsgerecht und mit hoher Qualität versorgt werden. Für die Mitarbeitenden in den Kliniken steht im Fokus, dass sie sich bestmöglich um die Patienten kümmern können und ihnen dabei nicht immer mehr starre Vorgaben und überbordende Bürokratie im Weg stehen. Die vorgesehene Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen und noch weitere, über die sowieso schon existierenden Vorgaben des stationären Notfallstufensystems hinausgehenden Personal- und Strukturvorgaben für die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind unnötig. Sinnvoll ist hingegen der Vorschlag, dem INZ eine Medikamentenvergabe und Krankschreibung zu ermöglichen. 

Wir diskutieren seit vielen Jahren über das große Problem des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen. Wer daran etwas ändern will, muss sich der Tatsache stellen, dass Überregulierung die Arbeit im Krankenhaus unattraktiv macht. Es ist auch Aufgabe der Politik im Blick zu behalten, dass es im Krankenhaus nicht zuerst um die Bürokratie gehen darf, sondern die Versorgung der Patienten an erster Stelle stehen muss.    

Autor

 Bernadette Rümmelin

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Mit unserem täglichen Newsletter informieren wir bereits rund 10.000 Empfänger über alle wichtigen Meldungen aus den Krankenhäusern und der Gesundheitsbranche

Kontakt zum Kundenservice

Rufen Sie an: 0 56 61 / 73 44-0
Mo - Fr 08:00 bis 17:00 Uhr

Senden Sie uns eine E-Mail:
info@bibliomedmanager.de

Häufige Fragen und Antworten finden Sie im Hilfe-Bereich