In Berlin kamen am Mittwoch mehrere hundert Teilnehmer vor das Brandenburger Tor zur Protestveranstaltung gegen das Krankenhaussterben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Auch in weiteren Städten haben die Landeskrankenhausgesellschaften Proteste organisiert.
Am Mittwoch haben mehrere hundert Menschen gegen die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit der Krankenhäuser und die damit verbundene Insolvenz- und Schließungsgefahr protestiert. Der Protest richte sich ausdrücklich nicht gegen die zwischen Bund und Ländern verabredete Krankenhausreform, so die DKG. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer forderten faire Finanzierungsbedingungen, damit die Kliniken die infolge der Inflation stark gestiegenen Ausgaben tragen können und so die Krankenhausreform überhaupt noch erleben. Gesetzlich ist es den Krankenhäusern nicht möglich, ihre Preise an die gestiegenen Ausgaben anzupassen. In der Folge registriert die DKG seit Jahresbeginn so viele Insolvenzen wie noch nie zuvor.
Gaß: "Keine verantwortungsvolle Politik"
„Wir fordern eine faire Finanzierung und dass die Politik uns nicht im Regen stehen lässt nach dem Motto: Schaut, wie ihr zurecht kommt. Das ist keine verantwortungsvolle Politik“, erklärte Gerald Gaß. Der DKG-Chef ging auch auf die Aufzählung des Gesundheitsministers Karl Lauterbach ein, wie viele Milliarden Euro die Kliniken in den letzten Jahren bereits bekommen hätten. „Das Geld haben wir bekommen, weil wir protestiert haben, und deshalb ist es wichtig, dass wir heute hier stehen.“
Die Teilnehmer waren vorrangig Beschäftigte von Krankenhäusern in Berlin und Brandenburg. Aber auch aus Thüringen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind Pflegekräfte, Ärzte und Verwaltungsbeschäftigte angereist.
70 Prozent der Kliniken sorgen sich um Existenz
Die Krankenhäuser fordern seit Langem, dass die Bundesregierung einen Inflationsausgleich einführt. Nach einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts kann fast kein Krankenhaus seine Ausgaben noch durch laufende Einnahmen finanzieren, 70 Prozent der Kliniken sorgen sich ernsthaft um ihre Existenz. Bis Ende 2023 müssen die Kliniken inflationsbedingte Defizite im Umfang von 10 Milliarden Euro verkraften. Bundesweit befinden sich etwa 30 Krankenhäuser in Schutzschirmverfahren; weitere Krankenhäuser haben angekündigt, schließen zu müssen.
Bobbert: "Die Dänen wären froh, wenn sie unser System hätten"
Peter Bobbert, Chef der Berliner Ärztekammer Berlin, erklärte: „Gebt uns die Möglichkeit, unsere Mitarbeiter gerecht zu bezahlen, liefert endlich mehr als Überschrift beim Thema Bürokratisierung.“ Am Mittwoch tagte im Bundestag der Gesundheitsausschuss. Bobbert unerstrich, dass alle Krankenhäuser wichtig seien und das der Vergleich mit dem dänischen System gewaltig hinke: „In Dänemark reibt man sich verwundert die Augen angesichts dessen, was wir hier diskutieren. Die Dänen wären froh, wenn sie unser System hätten. Ich bin diese plakativen Äußerungen leid.“
Proteste Thema auf dem Gesundheitswirtschaftskongress in Hamburg
Auch auf dem Gesundheitswirtschaftskongress in Hamburg waren die Proteste Thema: Robert Möller, CEO Helios, kritisierte: „Heute ist ja der Protesttag der Krankenhäuser und auch dabei geht es vor allem wieder um die Perspektive der Krankenhausbranche, um die Probleme der Krankenhäuser selbst, und nicht um eine Problemlösung für Patienten. Wir neigen alle dazu, die gesamte Problemdiskussion immer aus Sicht der Krankenhausbranche zu führen – das hindert uns an echten Reformen."
DEKV: Inflation und Tarifsteigerungen auffangen
Die Inflation und die notwendigen Tarifsteigerungen müssen aufgefangen werden, fordert auch der Deutsche Evangelischer Krankenhausverband (DEKV). „Die freigemeinnützigen Krankenhäuser sind besonders auf eine auskömmliche Refinanzierung angewiesen. Denn sie können Defizite nicht wie die kommunalen Krankenhäuser und Universitätskliniken durch Steuermittel ausgleichen“, erklärt Christoph Radbruch, DEKV-Vorsitzender. Evangelische und andere frei-gemeinnützige Krankenhäuser hätten im Gegensatz zu Unikliniken und kommunalen Häusern keine öffentlichen Finanzierungspartner im Rücken, die ihnen bei Engpässen beispringen.
BMG hält mit Faktenpapier dagegen
Vorab der Klinikproteste hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein Faktenpapier zur Situation der Krankenhäuser veröffentlicht. Darin rechnet es vor, wie viele Leistungen die Kliniken während und nach der Pandemie erhalten haben: Zur finanziellen Unterstützung aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie hätten Kliniken etwa von März 2020 bis Juni 2022 Versorgungsaufschläge und Ausgleichszahlungen in Höhe von rund 21,5 Milliarden Euro erhalten.
Zudem seien für die Jahre 2020 bis 2022 außerdem coronabedingte Erlösausgleiche für die Krankenhäuser vorgesehen gewesen. "Zusätzlich konnten Krankenhäuser vor dem Abschluss der Vereinbarung über einen coronabedingten Erlösausgleich unter bestimmten Bedingungen eine Abschlagszahlung erhalten. So sollten Liquiditätsengpässe vermieden werden."
Zusätzlich habe der Bund den Krankenhäusern noch 6 Milliarden Euro für energiebedingte höhere Kosten zur Verfügung gestellt. 2,5 Milliarden Euro würden noch bis zum Frühjahr 2024 ausgezahlt. Die Zahlungen pro Fall seien in den letzten Jahren stetig gestiegen. "Die Defizite der Krankenhäuser liegen in erster Linie daran, dass die Fallzahlen nach der Corona-Pandemie deutlich gesunken sind." Dieser Trend werde anhalten, so das BMG, weil ein immer größerer Anteil von Behandlungen ambulant erbracht werden kann. Die Investitionskosten der Krankenhäuser müssen die Länder übernehmen. Seit mehr als zehn Jahren blieben sie die Hälfte der notwendigen Investitionskosten schuldig.