Orientierungswert

Wissenschaft braucht Ingenieure

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Wissenschaft braucht Ingenieure
Reinhard Schaffert, Geschäftsführer Klinikverbund Hessen © Klinikverbund Hessen

Manchmal ist es hilfreich, sich in die Gedankenwelt einer Person hineinzuversetzen, um sie zu verstehen, beispielsweise in die des Gesundheitsministers Lauterbach. In der Annahme, dass seine Welt in hohem Maße wissenschaftlich geprägt ist, sind viele seiner Aussagen und Entscheidungen dann nachvollziehbar. 
Doch wissenschaftlich Erkenntnisse sind das eine: Daten mögen belegen, dass in Deutschland zu viele stationäre Behandlungen durchgeführt werden, eine Konzentration von Leistungen und Krankenhäusern die Qualität verbessert und das Gesundheitssystem angesichts der demografischen Entwicklung deutlich effizienter werden muss. Doch genauso wissen wir in anderen Bereichen, dass ein Tempolimit Leben rettet und Heizen mit fossilen Brennstoffen den Klimawandel befeuert – dennoch sind die Widerstände groß und die politische Umsetzung daher schwierig.

Denn das andere ist der Mensch, der dazu neigt, einen Status Quo zu erhalten und Veränderungen zu vermeiden und dem kurzfristige Genüsse wichtiger sind als deren langfristige Folgen. Auto und Wohlstand sind bei uns in Deutschland sehr emotionale Themen und die Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik stärkt den Populismus. Der hat zwar auch keine Antworten, scheint vielen Menschen aber zu bestätigen, dass nicht alles falsch ist, was ihnen in den letzten Jahrzehnten wichtig und wertvoll war. 

Auch bei der Gesundheitsversorgung besteht dringender Handlungsbedarf. Und auch dagegen wird sich erheblicher Widerstand formieren, wenn das Krankenhaus vor Ort schließt oder im Zuge der Reform bestimmte Leistungen nicht mehr anbieten kann oder gar kurzfristig insolvent wird. Subjektiv wird die Versorgung dadurch schlechter – unabhängig von den objektiven wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der emotionale und populistische Sprengstoff einer solchen Entwicklung in der Daseinsvorsorge ist – befürchte ich – extrem hoch. 

Allein aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen Gesundheitsversorgung zu entwerfen, reicht nicht aus. Wissenschaft braucht Ingenieure, um die theoretischen Modelle in die praktische Anwendung zu bringen. Das ein oder andere Zugeständnis an Gegebenheiten und Realität muss dabei gemacht werden. Auch wenn ich Herrn Lauterbachs Abneigung gegen die Beteiligung der Verbände in seiner Gedankenwelt verstehen kann – am Ende wird er sie zur Umsetzung der Reformen benötigen. Auf den ein oder anderen sachlichen Hinweis sollte er daher jetzt schon hören. Die Konsequenzen eines praxisfernen und handwerklich schlecht gemachten Gesetzes wären fatal. Bereits ein schlechter Entwurf kann schon alles Vertrauen verspielen, wie das Heizungsgesetz zeigt.

Veränderungen müssen vor allem gut und ehrlich kommuniziert werden und eine gewisse Teilhabe der Betroffenen ermöglichen. Bei beidem ist noch viel Luft nach oben. Das Gefühl, es werde über die Köpfe hinweg entschieden birgt sozialen und politischen Sprengstoff. Diese Art der Revolution will Herr Lauterbach mit seiner Reform sicher nicht. Deshalb darf auch die aktuelle Notlage vieler Krankenhäuser und die strukturelle Unterfinanzierung nicht – wie bisher – ignoriert werden. Denn dies verspielt Vertrauen, das für Reformen dringend benötigt wird. 

Autor

 Reinhard Schaffert

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