Die Auskoppelung der Pflegepersonalkosten aus der DRG ist eines der größten Abenteuer für die Selbstverwaltung. Der Eingriff ist einerseits ein technisches Manöver mit unzähligen Detailfragen, andererseits geht es um Grundsätzliches in der Krankenhausfinanzierung.
Die Selbstverwaltung muss im nächsten halben Jahr 15 Milliarden Euro aus dem DRG-System heraussäbeln – so will es der Gesetzgeber. Die fulminanteste Aufgabe beim Auskoppeln der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen (DRG) kommt dabei dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zu. Die Mannschaft um Institutschef Dr. Frank Heimig muss bis September eine Kalkulationsmatrix entwerfen, anhand der die Milliarden ausgebucht werden können. Mit diesem chirurgischen Eingriff begibt sich die Selbstverwaltung zwangsweise in eines ihrer größten Abenteuer – mit offenem Ausgang. Ob und welche Krankenhäuser profitieren, das ist bei derzeitigem Wissensstand völlig unklar.
Kein Wunder, dass die anfängliche Freude, die in Teilen der Klinikszene herrschte, als der Bundestag die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten beschlossen hatte, weg ist. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist ebenso in Alarmstimmung wie die Krankenkassen: Die Furcht etwas zuzulassen, das einem später teuer zu stehen kommt, ist auf beiden Seiten groß. Denn es gibt unzählige offen Detailfragen, aus denen weitere Detailfragen resultierenne – man kommt sprichwörtlich vom Hölzchen aufs Stöckchen. Liegt eine Partei mit ihrer Folgenabschätzung daneben, geht es schnell um zig Millionen Euro.
Zur Komplexität des Themas gesellt sich der straffe Zeitplan. 2020 soll das System scharf geschaltet werden – es bleibt wenig Zeit zum Durchatmen. Ende Januar war dieser Druck zum ersten Mal greifbar, als DKG und GKV-Spitzenverband eine „Pflegepersonalkostenabgrenzungsvereinbarung“ nicht fristgerecht lieferten. Informationen oder Statements von den beiden Verhandlungspartnern waren nicht zu bekommen. Offenbar wollten sie lieber ihre Leute auf Kurs bringen – schließlich kursierte die Furcht vor einer Ersatzvornahme durch den Gesundheitsminister. Denn dass Jens Spahn wenig Geduld mit der Selbstverwaltung hat, zeigte er im vergangenen Jahr: Nachdem DKG und GKV sich nicht auf Pflegepersonaluntergrenzen in der Pflege einigen konnten, nahm der Minister das Heft mit einer Ersatzvornahme in die Hand. „Entscheiden Sie lieber selbst, bevor wir entscheiden“, hatte Spahn zuvor gewarnt. Dieser Satz hallt nach.
Eine Ersatzvornahme blieb dieses Mal aus, die Protagonisten der „AG Ausgliederung“ haben sich auf eine Vereinbarung geeinigt und jetzt reden sie auch – und das ziemlich ausführlich. Dr. Wulf-Dietrich Leber (GKV-Spitzenverband), Georg Baum (DKG) und Franz Wagner (Deutscher Pflegerat) geben in dieser Titelgeschichte detailliert Einblick in ihre Gedankenspiele rund um den Pflexit – mit sehr unterschiedlichen Ansichten. Dabei bringt der Umbruch im DRG-System auch Grundsatzfragen auf den Tisch, etwa wie weit die Personaleinsatzsteuerung durch das Vergütungssystem bestimmt werden darf.
Bei all den Unklarheiten ist eines gewiss: Der Pflexit ist nach seiner Einführung 2020 nicht vorbei, er wird uns noch Jahre beschäftigen. Denn dass es für das DRG-System jetzt viel zu lernen gibt (Leber) und händischer Nachsteuerungsbedarf besteht (Georg Baum), ist klar. Fragwürdig bleibt derweil, wie der Eingriff für die DRG ausgeht. Denn nicht wenige sind der Meinung, dass die Einführung der Selbstkostendeckung in der Pflege letale Folgen für die Fallpauschale selbst haben wird.