DKG zum Pflexit

Es geht um die Details

  • DRG-System
  • Titel
  • 26.02.2019

f&w

Ausgabe 3/2019

Seite 206

Die Auswirkungen des Paradigmenwechsels im DRG-System sind für die Kliniken erheblich, schreibt DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Die Grundprinzipien der Kalkulation habe der Gesetzgeber allerdings nicht infrage gestellt. Dafür geht es um viele weitreichende Detailfragen.

Das Vereinigte Königreich verlässt die Europäische Union. Als das Referendum zum Brexit durch war, waren sich die Befürworter einig, dass der Ausstieg aus der EU ein Leichtes sein würde. Mittlerweile sind sie eines Besseren belehrt. Wenige Wochen vor dem Stichtag besteht die Gefahr, dass es zu einem vertragslosen Ausstieg kommen könnte. Und was hat dieses Szenario nun mit der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem DRG-System zu tun? Auch hier haben wir es mit einem hochkomplexen Vorgehen zu tun. Deshalb: Gründlichkeit vor Schnelligkeit, was in der Krankenhauswelt mit der Begrifflichkeit des lernenden Systems zu beantworten ist, ohne dass der gesetzlich vorgesehene Einstiegstermin in den Umstieg damit bereits jetzt infrage gestellt werden muss. Das Projekt ist aber ein großes. Mit der Ausgliederung stehen wir vor einem echten und wirklichen Paradigmenwechsel. Dies ist für die Krankenhäuser mit großen Unsicherheiten verbunden. Deshalb kann und darf es keinen ungeordneten Umstieg geben. Ehe im September das DRG-System für 2020 ohne Kostengewichte für die Pflege am Bett präsentiert werden kann, müssen die DRG-Selbstverwaltungspartner in enger Zeitfolge wichtige Entscheidungen treffen.

In weiten Teilen ein technisches Manöver

Bis Ende Januar stand die eindeutige, bundeseinheitliche Definition der auszugliedernden Pflegepersonalkosten auf der gesetzlich vorgegebenen Schrittfolge. Ende Februar mussten die Prozedurenschlüssel, die nach der Einführung des Pflegebudgets nicht mehr notwendig sind, benannt sein. Unter der verharmlosenden Formulierung „nähere Einzelheiten zur Verhandlung des Pflegebudgets“ müssen bis Ende Juli 2019 die relevanten Formulare für die Verhandlungen zwischen den Partnern vereinbart werden. Erstmalig im September zum DRG-Katalog müssen dann der Katalog mit bundeseinheitlichen Bewertungsrelationen der ausgegliederten Pflegepersonalkosten/Pflegeerlöskatalog und die Abrechnungsbestimmungen für die Anwendung des Pflegerlöskatalogs vereinbart werden. Das sind ambitionierte Zeitpläne.

In weiten Teilen ist die Ausgliederung ein technisches Manöver. Gleichwohl gibt es „händischen“ Nachsteuerungsbedarf bei der Zuordnung von Personalgruppen auf das Pflegeteam am Bett, weil dies im Kalkulationshandbuch oder aus der Krankenhausbuchführungsverordnung nicht immer so eindeutig hervorgeht. Aus Krankenhaussicht muss in jedem Fall gewährleistet sein, dass die auszugliedernden Kosten in vollem Umfang bei den Verhandlungen des neuen Pflegebudgets auch wieder eingliederbar sind. Deshalb müssen auch über scheinbare Detailfragen, etwa mit welchen Anteilen Stationssekretariatskräfte oder Medizinische Fachangestellte an der Pflege am Bett mitwirken, Festlegungen getroffen werden. Dazu gehört zum Beispiel auch die Festlegung, dass Fremdpersonal in der Pflege wie eigene Beschäftigte berücksichtigt werden müssen. Sie werden ausgegliedert und müssen im Pflegebudget entsprechend der tatsächlich von der Klinik gezahlten Vergütung geltend gemacht werden können. Festgelegt wird auch, dass die Personalkosten der Pflegedienstleitung als Mitglied der Krankenhausleitung nicht aus den Fallpauschalen ausgegliedert werden, wohl aber die der Stationsleitung.

Die Hauptsorge der Kostenträger scheint zu sein, dass die Krankenhäuser Mitarbeiter auf die Pflege am Bett „umbuchen könnten“, ohne dass diese Kräfte zuvor aus den Fallpauschalen ausgegliedert worden sind. Damit wird der ohnehin schwierige Ausgliederungsprozess mit einer Misstrauenskomponente belastet, für die es keine Rechtfertigungen gibt. Das DRG-System kennt keine starre Personalzuordnungspflicht. Natürlich muss es legitim sein, Rationalisierungsmöglichkeiten im gesamten Krankenhaus zu nutzen, um mehr Mitarbeiter in der Pflege am Bett zur Verfügung zu haben. Vor allem, wenn die gesetzlichen Vorgaben aus den Pflegeuntergrenzen dazu verpflichten. Die eigenverantwortliche Personaleinsatzsteuerung darf über das Vergütungssystem nicht sanktioniert werden. Hier müssen die allgemeinen Kalkulationsprinzipien fortgelten. Die Forderung der Kassen, solche Effekte, die es in den Krankenhäusern in unterschiedlichster, aber niemals einheitlicher Form geben kann, über pauschale und künstliche Bewertungsrelationsabsenkungen im DRG-System nachzuhalten, können nicht akzeptiert werden. Die Grundprinzipien der DRG-Kalkulation, zu denen seit jeher gehört, dass realisierte Rationalisierungseffekte im Casemix-Volumen verbleiben, hat der Gesetzgeber mit der Neuordnung der Pflegefinanzierung nicht infrage gestellt. Wenn es Infragestellungen über Zuordnungen zur Pflege am Bett gibt, müssen diese bei den Pflegesatzverhandlungen vor Ort, nicht aber durch pauschale Absenkungen im DRG-System verhandelt werden. Alles andere wäre ein neuer Kollektivhaftungsmechanismus, den das Gesetz an keiner Stelle vorsieht. Vielmehr lautet die gesetzliche Vorgabe, die Pflege am Bett zu stärken und dazu gehört vor allem auch, jede Kraft, die in der Pflege tätig ist, als dort berechtigt und wirtschaftlich anzusehen und entsprechend voll zu finanzieren. Dass bereits in der Vergangenheit eingeleitete pflegeentlastende Maßnahmen im Umfang von bis zu drei Prozent des Pflegebudgets budgeterhöhend berücksichtigt werden können, zu denen auch der Einsatz von Hilfskräften einschließlich investiver Entlastungsmaßnahmen gehören, macht deutlich, dass Verbesserungen in den Pflegebudgets vor Ort ohne den Nachweis vorausgegangener Ausgliederungen aus den Fallpauschalen möglich sein sollen.

Vollfinanzierung der Pflege am Bett

Diese neue Philosophie des Gesetzes wird nicht auf Gegenliebe der Kostenträgerseite stoßen. Die Kassen fordern bekanntlich gerne mehr Kräfte in der Pflege, bezahlen wollen sie diese aber nicht. Zu den Prinzipien des lernenden Systems gehört gegenseitiges Verständnis und Vermeidung von missbräuchlichen Gestaltungen, aber auch anzuerkennen, dass der Gesetzgeber die Vollfinanzierung der Pflege am Bett als grundlegendes Prinzip für diese umfassende Reform der Krankenhausfinanzierung vorgegeben hat. Mit den Festlegungen in der „Pflegepersonalkostenabgrenzungsvereinbarung“ erhalten die Krankenhäuser konkrete Anhaltspunkte für die Ermittlung der möglichen Auswirkungen der neuen Pflegefinanzierung. Es wird Gewinner und Verlierer geben. Umso wichtiger ist, dass Budgetminderungen im ersten Jahr auf zwei Prozent begrenzt sind.

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