Daten gab es schon immer. Was sich ändert, ist das Verhältnis der Menschen zu ihren persönlichen Daten. Vor dreieinhalb Jahrzehnten, am 15. Dezember 1983, hatte das Bundesverfassungsgericht im historisch bedeutsamen „Volkszählungsurteil“ die informationelle Selbstbestimmung festgestellt: Jeder hat das Recht, selbst über die Verwendung seiner Daten zu bestimmen, urteilten die Richter. Beim Zensus im Jahr 1987 bekam man die Folgen erstmals zu spüren. Die Volkszählungsgegner demonstrierten gegen den ihrer Meinung nach immer stärkeren Datenaustausch von Polizei und Geheimdiensten ebenso wie die Datensammlungen der Wirtschaft. Und heute? Menschen tracken ihre Vitalparameter beim Joggen und präsentieren das Ergebnis Facebook; sie fotografieren ihr Essen und fügen es zur Instagram-Story hinzu; Urlaubsfotos teilen sie online mit Freunden, Bekannten oder gleich der ganzen Welt. Privates wird öffentlich, Persönliches zum Allgemeingut. Der Motor dieser neuen Transparenz sind nicht etwa Behörden, es ist der Nutzer selbst.
Freilich steckt hinter den Daten auch ein Milliardengeschäft. Der Facebook-Konzern, zu dem auch Instagram und WhatsApp gehört, kombiniert die digitalen Spuren aus Milliarden Profilen, um passgenaue Werbung auszuspielen. Amazon als größter Onlinehändler weiß, welche Produkte der Kunde als nächstes braucht – oft schon, bevor dieser es ahnt. Und Krankenhäuser? Sie geben den Patienten die Röntgenbilder allzu häufig noch immer im braunen Umschlag mit nach Hause – analog wie anno dazumal. Das muss nicht sein. Denn technisch sind wir längst in der Lage, die Vorzüge der Digitalisierung und den hohen Anspruch an den Datenschutz zu vereinen. Mit der zu erwartenden stärkeren Verbreitung von Speichertechnologien wie Blockchain und Tangle steht nun eine Basis bereit, um den Mensch zum Souverän seiner Daten zu machen.
Man stelle sich vor, der Patient hätte eine virtuelle Geldbörse. In diesem Wallet befänden sich nicht nur Führerschein und Personalausweis, sondern hier würden auch alle Ärzte, vom Kinderarzt bis zum Geriater, ihre Daten zum Patienten ablegen. Anamnesen, Röntgenbilder Implantatepass – alles, was man im Laufe eines Patientenlebens eben anhäuft. Man stelle sich weiter vor, hier würden auch die Fitnessdaten, die Aufzeichnungen zum Essen und alle anderen Informationen einfließen, die ein Patient sammelt. Alle Daten wären fälschungssicher gespeichert. Man könnte von überall auf die Daten zugreifen – und selbst entscheiden, wer welche Informationen erhalten soll. Zudem wären die Daten – anders als bei einer echten Geldbörse – vor Verlust geschützt, weil sie problemlos wiederhergestellt werden könnten.
Ohne Zweifel: Die Bedenkenträger wären laut und mächtig. Mit Schlagwörtern wie Datenschutz lassen sich derzeit selbst die kleinsten Entwicklungspflänzchen im Keim ersticken. Und doch wird die Zukunft beweisen, dass Technologien wie Blockchain und Tangle dazu beitragen, die informationelle Selbstbestimmung im digitalen Zeitalter zu festigen. Darauf haben die Bürger ein Recht – und das seit 1983.