Der Jahresauftakt hatte es in sich, zwei Megathemen werden die Gesundheitspolitik in den kommenden Monaten intensiv beschäftigen: Das erste Ausrufezeichen setzte der Minister. Sein heiß erwarteter Referentenentwurf für die ambulante Notfallversorgung ist für die Krankenhäuser ein weiterer Tiefschlag. Krankenkassen und Wissenschaft dominieren den Diskurs, die eigenen Botschaften verfangen nicht mehr, so die Wahrnehmung in der Klinikszene. Mit integrierten Notfallzentren (INZ) unter KV-Hoheit und Standortauswahl von Kassenärzten und Krankenkassen sehen sich die Kliniken zum Vermieter und Dienstleister degradiert. Zugegeben: Angesichts der politischen Rahmenbedingungen ist es schwierig, einen Strukturwandel top-down herbeizuführen. Doch so, wie es jetzt läuft, produziert die Politik vor allem Frust. Immerhin: Unser Hauptstadtkorrespondent Jens Mau hat vernommen, dass der Unmut im BMG registriert worden sei; ein weiteres Krankenhausgesetz könnte noch in diesem Jahr kommen.
Ähnlich konfrontativ und zerpflückt ist die Debatte in der Pflege. Pünktlich zum Jahresstart haben DKG, Verdi und Pflegerat ein Pflegepersonalbemessungsinstrument vorgelegt, das die ungeliebten Untergrenzen ablösen soll. Diese Allianz ist außergewöhnlich, zeigt aber auch, wie groß der Frust an allen Enden und in allen Interessensgruppen in den Krankenhäusern ist. Mit der nun vorgelegten „PPR 2.0“ geht die Debatte um die Zukunft der Pflegepersonaluntergrenzen und die Finanzierung der Pflege in eine neue Runde. In unserer Titelstrecke haben wir nicht nur die Repräsentaten der drei Verbände zu Wort kommen lassen, sondern auch Krankenkassen und andere Akteure um ihre Einschätzung gebeten.
Das Modell sei „sofort einsatzbereit“, versichern Patrick Jahn, Bernd Metzinger und Grit Genster in ihrem Beitrag (Seite 110). Ob dieses Modell jedoch eine Zukunft hat, lässt sich im Moment nur schwer ablesen. Staatssekretär Andreas Westerfellhaus plädiert im Interview zwar für die Abschaffung der Pflegepersonaluntergrenzen (Seite 114). Sein Dienstherr Jens Spahn treibt diese aber weiter voran. Frank Heimig und das InEK wurden bereits angewiesen, mit Blick auf das kommende Jahr Daten für die Bereiche Chirurgie und die gesamte Innere Medizin zu erheben. Perspektivisch sollen im Sinne des BMG ohnehin alle Bereiche abgedeckt und Personalrochaden so weit wie möglich unterbunden werden.
Die Krankenkassen weiß Spahn in dieser Frage an seiner Seite. Gegen ein alternatives Personalberechnungsinstrument (anstatt der Selbstkostendeckung) hätten die Kostenträger nichts einzuwenden. Unabhängig davon ist das Kassenlager aber fest entschlossen, die Pflegepersonaluntergrenzen zu verteidigen. Und auch inhaltlich kann Mechthild Schmedders, die für den GKV-Spitzenverband die Einführung der Untergrenzen verhandelt hat, den aufpolierten PPR 2.0 wenig abgewinnen. „Die pflegerische Versorgung wird erst dann nachhaltig besser werden, wenn die pflegerischen Leistungen in den Krankenhäusern erkennbar und auch erlösrelevant werden.“ In eine ähnliche Richtung zielt ein Vorschlag des Bundesverbandes Pflegemanagement. Während die PPR-2.0-Allianz der Pflexit-Logik folgt und eine Lösung außerhalb des Fallpauschalensystems sucht, plädiert Pia Wieteck in ihrem Gastbeitrag für einen anderen Ansatz: die Rückkehr der Pflege ins DRG-System (Seite 118).