Zu Beginn des Jahres 2022 ergibt sich ein diffuses Bild unseres Gesundheitssystems. Die Folgen der Pandemie haben nicht nur kurzfristige, sondern auch nachhaltige Spuren hinterlassen. Ob Finanzlage, administrative Vorgaben, Belastungen für Beschäftigte und ganz grundsätzlich die Perspektiven unserer Branche gepaart mit einem stimmgewaltigen Chor aus Experten und Interessenvertretern aller Couleur, Zukunftsthemen wie Digitalisierung oder Nachhaltigkeit sowie neue Leitlinien einer neuen Bundesregierung: Allesamt erhöhen sie den Handlungsdruck für alle Beteiligten spürbar und legen gleichzeitig die Stärken, aber auch die Schwächen dieses Systems offen. Wie so häufig im realen Leben mangelt es daher nicht an der Erkenntnis. Vielmehr hakt es in der Umsetzung.
Befeuert durch die Folgen der Pandemie braucht es zur Umsetzung notwendiger Reformen mehr denn je Brückenbauer, die Stein für Stein ein dysfunktionales System auflösen und Gräben schließen können. Wesentlicher Erfolgsfaktor dafür ist Vertrauen … der handelnden Akteure, die weder sich selbst noch die Interessen einzelner Gruppen optimieren, Vertrauen darin, dass Verantwortliche Mut aufbringen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, und Vertrauen darauf, dass sich Stil und Inhalte kontroverser Auseinandersetzungen an der Sache orientieren und weniger an ideologischen Grundsätzen oder politischer Farbenlehre.
Das Gesundheitswesen im Ganzen als auch die Kliniken befinden sich mitten in einem Transformationsprozess. Aktuell ist jedoch nicht ganz klar, wohin die Kliniken transformiert werden sollen, und schon gar nicht, welche Instrumente hierfür flankierend zum Einsatz gebracht werden. Kurzfristiger (politischer) Aktionismus wird mit Sicherheit nicht den gewünschten Erfolg bringen. Es sei nur an die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus den DRG aus der vergangenen Legislaturperiode erinnert, die – übers Knie gebrochen – mehr vom politischen Willen als von der praktischen Beherrschbarkeit in der Umsetzung geprägt war. Womit wir wieder beim Vertrauen wären. Kliniken müssen darauf vertrauen können, dass nicht alles beim Alten bleibt, aber dass sie das Ende des Jahres 2022 auf Basis eines stabilen Handlungsrahmens erleben werden. Dazu gehört die zügige Verabschiedung eines weiteren Ganzjahresausgleiches, der die pandemiebedingten Verwerfungen abzufedern hilft. Und es bedarf des praktischen Nachweises der Funktionsfähigkeit der Selbstverwaltung. Vertrauen in die Verlässlichkeit von Regeln muss wieder erarbeitet werden. Die Kliniken warten in diesem Zusammenhang übrigens noch auf die Ausfinanzierung nicht abgeschlossener Pflegebudgets aus dem Jahre 2020 … von 2021 ganz zu schweigen. Es geht hierbei um einen Milliardenbetrag, für den Patienten versorgt wurden, der aber für künftige Aufgaben in der Kasse aktuell fehlt.
Januar 2022 – die Pandemie vor Ort in den Kliniken managen, Ressourcen bereitstellen, überlastetes Personal motivieren, bürokratische und administrativ selbst beschränkende Regeln beachten – reale Herausforderungen und keine Fiktionen, wie so mancher Experte uns glauben machen will. Es darf aber auch darauf vertraut werden, dass eigene Defizite und Versäumnisse der Kliniken in vielerlei Hinsicht erkannt, benannt und angepackt werden. Nur wenn alle Mitspieler im Gesundheitswesen gelegentlich über ihren Schatten springen, kommen wir zu einem gesteuerten Umbau unserer Versorgungslandschaft, der am Ende Patienten, Mitarbeitenden und uns als Kliniken hilft. Es sind eben dringend Brückenbauer gesucht.
Thomas Lemke debattiert auf dem DRG-FORUM am 18. März über die aktuelle Krankenhaus- und Pflegepolitik der neuen Regierung.