Ein Plädoyer für gesellschaftlichen Zusammenhalt ist in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spannungen besonders wichtig. Überall auf der Welt hat es Zeitabschnitte gegeben, in denen sich Spannungsfelder über einen längeren Zeitraum aufbauen und sich dann plötzlich über Spaltung, Gewalt und Krieg entladen. Wir sind uns sicherlich alle einig, dass es so weit nicht kommen muss. Besser ist es, solche zerstörerischen Tendenzen frühzeitig zu erkennen, darüber zu reden, dabei keine Tabus zuzulassen und nach Lösungen zu suchen.
Unser Leben in Deutschland war durch friedvolle Jahrzehnte geprägt. Das gilt nicht für alle Länder und Regionen, wir merken es jetzt sehr deutlich. Seit Langem gibt es ein Flüchtlingsgeschehen, aber erst der rapide Anstieg von Hilfs- und Schutzsuchenden hat uns die Nöte in der Welt offensichtlich gemacht. Hunger, Früh- und Übersterblichkeit, Bildungsdefizite, Diskriminierung, Klimanotstand – alles nur hausgemachte Probleme der „Dritten Welt“? Sicherlich nicht.
Spannung steht für Unterschied. In Zeiten, in denen sich Menschen in ihrer Lebensart und -weise kaum unterschieden, in denen das Zusammenleben weniger eng war, waren Unterschiede kaum von Bedeutung. Heute ist das anders. Man hat das Gefühl, Unterschiede sind das neue „Normal“. Weltanschauung, Neigungen, Bildung, Vermögen, Technologieaffinität, Gesundheit – die hoch entwickelten Gesellschaften fordern dazu heraus, durch Differenzierung und Positionierung den „Unterschied zu machen“. Ausgleichende Elemente werden seltener und wirkungsloser.
Ein Großklinikum ist geradezu ein Spannungsmagnet, die Notaufnahme der Kulminationspunkt. Es ist nicht mehr zu leugnen: Die Probleme sind im Alltag angekommen und wachsen. Es muss etwas getan werden. Gibt es dafür eine Geheimrezept? Ich erinnere mich gern an meine Kindheit, geprägt vom respektvollen Umgang der Menschen in meinem Umfeld. Einfache Sachen – Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Optimismus, Zeit – können dafür sorgen, dass Unterschiede nicht im Vordergrund stehen und von Bedeutung sind. Für mich ist das ein Patentrezept und Modell für gesellschaftlichen Zusammenhalt, anwendbar im Privaten und Beruflichen.
Trotz der eigentlichen einfachen Lösung zeigen sich im Alltag die Tücken. Wieder das Beispiel Krankenhaus: Mitarbeiter:innen stehen unter hoher beruflicher, Patient:innen und Angehörige unter hoher emotionaler Belastung. Auf Knopfdruck sind Konflikte nicht zu vermeiden, eine empathische Grundeinstellung der Konfliktparteien hilft aber auf jeden Fall, eine Lösung zu finden. Ein solches Wertesystem kann man sich in ruhigeren und entspannteren Zeiten antrainieren.
Seien Sie in diesen Momenten aufmerksam und zeigen Sie mit Kleinigkeiten Ihre positive Lebenseinstellung. Wir müssen uns auf Grundwerte menschlichen Zusammenlebens besinnen, um zu verhindern, dass eine soziale Krise existenzbedrohend wird.