In stressigen Arbeitsumfeldern bleibt für echtes Zuhören wenig Zeit. Und selbst wenn zugehört wird, geschieht es häufig mit einer versteckten Agenda: Stimmen wir zu? Können wir das so stehen lassen? Müssen wir reagieren? Dabei bedeutet Zuhören weder automatisch Zustimmung noch Sympathie.
Ein Beispiel aus dem Klinikalltag: Eine Pflegekraft äußert sich kritisch zur neuen Dienstplangestaltung. Sie schildert, dass durch die neue Regelung mehr Überstunden anfallen und dass das Team darunter leidet. Die Stationsleitung hört zu – und merkt, dass sie sofort eine innere Abwehr verspürt. Schließlich hatte sie selbst daran mitgewirkt, den neuen Plan zu erstellen.
Doch anstatt direkt in die Verteidigung zu gehen, entscheidet sie sich bewusst, nachzufragen: „Was genau bedeutet das für euch im Alltag?“
Diese Haltung verändert alles. Die Pflegekraft fühlt sich ernst genommen, weil sie merkt, dass es nicht um eine Debatte, sondern um echtes Interesse geht. Und die Führungskraft? Sie muss nicht automatisch zustimmen oder den Plan ändern. Doch durch das aufrichtige Zuhören entsteht eine Grundlage für gemeinsames Nachdenken – und oft auch für bessere Lösungen.
Warum Zuhören oft schwerfällt
Echtes Zuhören erfordert innere Disziplin. Denn unser Gehirn liebt schnelle Schubladen: Sobald jemand etwas sagt, das nicht in unser eigenes Denken passt, neigen wir dazu, abzuschalten oder Gegenargumente zu formulieren.
Doch in der Führung – und besonders in einem herausfordernden Umfeld wie der Klinik – ist diese automatische Reaktion hinderlich. Zuhören heißt nicht, die eigene Meinung aufzugeben. Es heißt, sich für die Perspektive des anderen zu öffnen.
Wer das kann, schafft eine Kultur, in der Menschen sich trauen, ehrlich zu sprechen – ohne Angst, sofort auf Widerstand zu stoßen. Das ist eine wichtige Grundlage für psychologische Sicherheit: die Gewissheit, dass es erlaubt ist, Probleme und Ideen offen anzusprechen. Zuhören ist eine Führungsqualität. Denn wer sich verstanden fühlt, ist eher bereit, Kompromisse mitzutragen.