Der Klimawandel zwingt Krankenhäuser zum Umdenken in der Bau- und Betriebstechnik. Technischer Hitzeschutz, nachhaltige Kühlung und grüne Außenräume sind keine Kür mehr, sondern Pflicht.
Krankenhäuser sind in der Regel auf Funktionalität und Ökonomie getrimmte Zweckimmobilien. Doch auch die zunehmende Debatte um den Hitzeschutz zeigt: Die Aufenthaltsqualität muss wieder mehr wert sein – nicht nur um der Patienten willen, sondern auch, um die viel zitierte Magnetwirkung für Fachkräfte zu entfalten sowie letztlich rechtliche Vorgaben einzuhalten.
Bei Neubauten wird der Klimawandel mit den daraus erwachsenden neuen Anforderungen an Gebäude heute bereits in vielerlei Hinsicht erfolgreich berücksichtigt. Doch auch Bestandsimmobilien gilt es, effizient anzupassen an sehr viel wärmere Sommer und an extreme Wetterphänomene, die wir uns in ihrer ganzen Tragweite vermutlich gar nicht vorstellen können.
Vor diesem Hintergrund ist offensichtlich: Ohne konsequenten Klimaschutz kann es keinen langfristig wirksamen Hitzeschutz geben. Daher müssen sich Klinikbetreiber mehr einfallen lassen, als einfach nur die Kapazitäten der klassischen Klimaanlagen zu erweitern. Die fressen nicht nur enorm viel Energie, sondern werden derzeit noch mit klimaschädlichen Kühlmitteln betrieben. Und: Zum Nulltarif wäre das ja auch nicht zu haben.
Kühlen ist das große Thema
Einen sehr naheliegenden und doch oft fehlenden Schutz vor Überhitzung von Innenräumen bieten – nach Möglichkeit außen liegende – Jalousien. Diese sollten auch stärkerem Wind standhalten und nicht bei der kleinsten Böe hochfahren und damit ihre Wirkung verlieren. Dazu gesellen sollte sich eine gute Steuerung, die dafür sorgt, dass die Rollos rechtzeitig nach unten fahren. Wie immer lohnt es sich hier, in Qualität zu investieren und nicht nur auf den Preis zu achten.
Gute Erfahrungen hat man in Bestandsgebäuden mit zusätzlichen Glasscheiben gemacht, die vor den außen liegenden Jalousien angebracht werden. Das löst das Windproblem und sorgt für zusätzliche Dämmung. Für ganz kleine Budgets haben sich auch Hitzeschutzfolien, die auf die Fenster geklebt werden können, bewährt. Alles ist besser, als nichts zu tun.
Bei 35 Grad Außentemperatur hilft jedoch der beste Sonnenschutz nicht mehr. Dann werden Kältequellen benötigt, um Räume wirksam zu kühlen. Eine klimaschonende Alternative zur klassischen Klimaanlage mit großen umzuwälzenden Luftmengen bietet die Flächenkühlung. In Neubauten werden zu diesem Zweck mit kaltem Wasser durchflossene Rohre in Decken und Wände verlegt. Damit entsteht eine sogenannte Betonkernaktivierung.
Nachhaltige Kühltechnologien: Kühldecken und Wärmepumpen
Für Bestandsbauten wie auch Neubauten sind wasserdurchflossene Kühlelemente, sogenannte Kühldecken, die unter die vorhandenen Decken gehängt werden, noch wirksamer als die Betonkernaktivierung. Durch diese Technik können maßgeblich Luftmengen für die klassische Klimatisierung und somit Investions- und Betriebskosten reduziert werden. Problematisch ist das natürlich in Funktionsräumen mit hoher Installationsdichte. Daher sollte die sogenannte „sanfte Kühlung“ überall dort eingesetzt werden, wo es sinnvoll möglich ist, um die klassischen Klimaanlagen auf diese Weise weitgehend zu reduzieren.
Auch adiabate Kühlkonzepte sind effizient und nachhaltig. Idealerweise wird das Wasser für die Kühlung durch eine mit PV-Strom betriebene Wärmepumpe gekühlt. Letztere eigenet sich nämlich nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen, das längst mehr Energie verschlingt als das Zurverfügungstellen von Wärme. Doch: Auch wenn erste Beispiele wie das neue Klinikum in Lörrach belegen, dass Wärmepumpen auch ganze Krankenhäuser mit Wärme und Kälte versorgen können, ist diese durchaus gängige Technologie für die meisten Gesundheitseinrichtungen noch Zukunftsmusik. Wir werden sie spielen müssen, um unsere Häuser in die Klimaneutralität zu führen. Das ist kein technisches, sondern vielmehr ein finanzielles Thema.
13.000 Pflanzen auf der Krankenhausfassade
Ein grünes Schmuckstück der Krankenhausarchitektur findet sich in der Stumpergasse 13 in Wien. Hier wachsen Glockenblume und Storchenschnabel, Bergenie, Blauschwingel, Walderdbeere, Purpurglöckchen und Bohnenkraut über dem Haupteingang des Krankenhauses Barmherzige Schwestern. Insgesamt zählt die Fassade 13.000 Pflanzen – 50 pro Quadratmeter, die über 650 Meter Tropfrohre durch elf Kreislaufsysteme bewässert werden. Bodenfeuchtesensoren erkennen den jeweiligen Gießbedarf. Die 763 Pflanzenpaneele sind via Plug-and-Play-Verfahren montiert und können getauscht werden. Die 2024 neu gestaltete Krankenhausfassade verbessert die Stadtluft, mindert Lärm, kühlt und verschönert nicht zuletzt das Straßenbild. fa
Räume neu denken
Um die Überhitzung von Innenräumen zu vermeiden, spielt natürlich auch der Außenbereich eine Rolle. Beton, Glas, Teer, Metalle, komplett versiegelte Flächen und alles, was das herkömmliche Krankenhaus mit seinem Umfeld sonst noch prägt, heizen sich in sommerlicher Hitze weit mehr auf als begrünte Fassaden, fantasievoll gestaltete (Dach-)Gärten oder mit Bäumen verschattete Parkplätze.
Es gibt zahlreiche Best-Practice-Beispiele, die im Zusammenspiel mit der Natur Hingucker und Wohlfühlinseln schaffen, damit die Umgebung eines Unternehmens kühlen und idealerweise zum Schwamm für starke Regenfälle machen. In Kliniken sind sie jedoch eher die Ausnahme als die Regel. Allen gemeinsam ist nämlich: Die Pflege üppig bewachsener und gestalteter Flächen ist aufwendiger als der Unterhalt glatter, voll versiegelter Umgebungen.
Um wegzukommen von der reinen Funktionalität hin zu qualitativ hochwertigen Räumen – innen wie außen –, werden Kliniken völlig neue Bewirtschaftungsmodelle brauchen. Zum Beispiel könnten Vereine oder die Patienten in die Pflege der Anlagen eingebunden werden. Und wenn der Parkplatz schon komplett versiegelt sein muss, dann sollte er zumindest von einer PV-Anlage überdacht sein. Wenn man es gut macht, geht beides: eine schöne Bepflanzung und PV. Noch sind die meisten Krankenhäuser aber weit weg von Ansätzen wie diesen. Sie behelfen sich im Sommer mit Lüften, kalten Getränken, denken vielleicht über Anstriche mit kühlender Wirkung und andere geringinvestive Maßnahmen nach.
Doch gerade öffentliche Einrichtungen sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Wie kann ein Staat von seinen Bürgern einfordern, was er selbst nicht zu leisten bereit ist? Die chronische Unterfinanzierung macht die so wichtigen Aufgaben Klima- und Hitzeschutz für alle Gesundheitseinrichtungen zu einer echten Herausforderung. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert deshalb ein groß angelegtes Investitionsprogramm, um entsprechende Maßnahmen in Krankenhäusern umzusetzen. Die derzeit zur Verfügung gestellten Mittel reichen nicht aus.
Die Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V. (FKT) unterstützt diese Forderung. Zudem müssen bei entsprechenden Investitionen Wartungs- und Reparaturkosten sowie steigende Energiekosten von Anfang an mitberücksichtigt werden. Eine Investition in die – wohlgemerkt – richtige Klimatisierung im Krankenhaus bietet Vorteile für die Zukunft, die in geldwerten Vorteil umgerechnet werden sollten: Die Verweildauer der Patienten verkürzt sich und das Personal hat weniger Krankheitsausfälle. Ein klimafreundlich klimatisiertes Krankenhaus kann damit einen klaren Wettbewerbsvorteil bieten.
Abschied von Beton
Sehr viel leichter ist technischer und baulicher Hitzeschutz natürlich in Neubauten. Glas wird hier als Baustoff in Zukunft bei Weitem nicht mehr die Rolle spielen wie in der Vergangenheit. Transparenz und Licht sind wichtige Gestaltungsziele, mehr und mehr erkennt man aktuell aber auch den Wunsch der Patienten, zwar einen großzügigen Blick nach draußen zu haben, aber nicht auf dem Präsentierteller zu sitzen. Patienten brauchen einen schützenden Kokon, was auch dem Ziel des Hitzeschutzes entspricht. Natürliche Baustoffe wie Lehm, Holz oder Ziegel werden eine Renaissance erleben – nicht nur im Sinne des Raumklimas, sondern auch im Sinne des Klimaschutzes. Die Ära Beton geht zu Ende und macht neugierig auf völlig neue nachhaltige Krankenhäuser.