Digitale Zwillinge im INZ

Wie Simulationen die Notfallversorgung smarter machen

  • Digitalisierung
  • Technologie
  • 14.10.2025

f&w

Ausgabe 10/2025

Seite 956

Bernd Christoph Meisheit

Digitale Zwillinge sind längst mehr als Hightech-Spielerei. In der Notfallversorgung könnten sie künftig helfen, Patientenströme besser zu steuern, Ressourcen gezielt einzusetzen und Versorgungslücken zu schließen. Erste Ansätze zeigen: Die Zukunft der INZ beginnt mit Simulation.
 

Wer beim Begriff „Digitaler Zwilling“ zuerst an Formel 1 oder Flugzeugbau denkt, liegt gar nicht so falsch. Denn genau in diesen Hightech-Bereichen hat die Technologie ihren Ursprung: In der Luftfahrt werden Wartungszyklen nicht nur geplant, sondern simuliert, in der Renntechnik entscheiden digitale Modelle darüber, welche Einstellung auf der Strecke Sekundenbruchteile spart.

Indes ist die Diskussion um die Notfallversorgung in vollem Gange, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen und die Überlastung durch Fehlsteuerung zu beenden. Genau hier setzen die geplanten Integrierten Notfallzentren (INZ) an. Sie sollen künftig als zentrale Anlaufstellen fungieren, in denen Patienten direkt vor Ort eingestuft und gezielt weitergeleitet werden – entweder in die Notaufnahme, in den ambulanten Bereich oder direkt wieder nach Hause. Ziel ist eine kluge Steuerung der Versorgung, angepasst an Dringlichkeit, Bedarf und Situation.

Doch eine sinnvolle Steuerung beginnt nicht erst am Empfang. Sie beginnt früher – mit dem Wissen um das, was kommt. Und genau da kommt die prädiktive Simulation ins Spiel. Statt rein reaktiv zu arbeiten, können Notfallzentren künftig von digitalen Simulationsmodellen profitieren, die auf dem Konzept des digitalen Zwillings basieren. Dabei geht es nicht um den Zwilling eines einzelnen Patienten, sondern um die modellhafte Abbildung ganzer Versorgungsprozesse – ein dynamisches Abbild der Realität, gespeist aus aktuellen Daten, Erfahrungswerten und externen Faktoren.

Was passiert am Samstagabend, wenn parallel ein Volksfest, ein Bundesligaspiel oder eine Hitzewelle anstehen? Wie viele Patienten sind montagmorgens nach einem verlängerten Wochenende zu erwarten? Welche Fachrichtungen werden besonders gefragt sein und wo wird es knapp mit Personal oder Raum?

Solche Fragen lassen sich heute zutreffend simulieren – unter anderem durch Erfahrungen aus Kliniklogistik, Verkehrsplanung und Prozessoptimierung. Erste Projekte zeigen, wie digitale Zwillinge in Krankenhausabläufen helfen können, um Personalplanung, Raumbelegung und Versorgungsprioritäten datenbasiert zu steuern. Denkbar ist, dass solche Modelle künftig auch im INZ-Umfeld Anwendung finden – etwa zur vorausschauenden Ressourcensteuerung oder zur Koordination mit Rettungsdiensten und Bereitschaftspraxen. Technisch ist vieles davon bereits möglich: Die notwendige Datenbasis wächst, geeignete Tools existieren und Simulationen sind längst in anderen Bereichen des Gesundheitswesens erprobt. Noch ist der Schritt ins INZ-System Zukunftsmusik – aber die Partitur wird geschrieben.

Klar ist: Datenschutz, ethische Fragen, Interoperabilität – all das bleibt wichtig. Aber: Digitale Zwillinge sind kein Selbstzweck. Es braucht digitale, vorausschauende Lösungen. Sie könnten in Zukunft dafür sorgen, dass die Notfallversorgung weniger Überraschung und mehr Planung bedeutet. Dass Patienten schneller dort landen, wo sie hingehören. Und dass Ressourcen dort bereitstehen, wo sie gebraucht werden. Was wir jetzt also brauchen, sind Pioniere – in Kliniken, in der Politik, in der IT. Menschen, die bereit sind, neue Technologien nicht nur zu verstehen, sondern mutig zu erproben. Denn: Wer heute noch glaubt, dass man Patientenströme nicht simulieren und steuern könne, wird morgen von ihnen überrollt.

Autor

f&w führen und wirtschaften im Krankenhaus

Die Fachzeitschrift für das Management im Krankenhaus

Erscheinungsweise: monatlich

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