Einheitliche Versorgungsstufenmodelle mit Top-Down-Hierarchie sind en vogue. Viele erfolgreiche regional verankerte Netzwerke stünden damit aber vor dem Aus, schreibt Bernadette Rümmelin vom KKVD.
Einige Bundesländer gehen mit großen Reformschritten voran und stellen ihre Krankenhausplanung neu auf, beispielsweise Nordrhein-Westfalen. Das dortige Leistungsgruppen-Modell könnte zur Blaupause für Nachahmer werden. Andere Länder, wie Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz, arbeiten mit individuellen Stufenkonzepten. Doch solche Reformen brauchen Zeit und Flexibilität. Gerade in der Fläche sind Ausnahmeregelungen erforderlich, um die Versorgung zu sichern.
Auf Bundesebene hat derweil die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung ihre ersten Empfehlungen zur Pädiatrie und Geburtshilfe vorgelegt. Ihnen sollen weitere unter anderem zur Reform der Klinikfinanzierung folgen.
Nicht überraschend flattern in Berlin nun wieder Vorschläge für bundeseinheitliche Versorgungsstufenmodelle mit Top-Down-Hierarchie auf den Tisch. Hier soll die Finanzierung als Hebel dienen, da der Bund für die Planung selbst keine Zuständigkeit besitzt. Doch klar ist: eine bundeseinheitliche Finanzierung nach Versorgungsstufen schränkt die Planungshoheit der Länder deutlich ein, und sie gefährdet regional verankerte Netzwerke.
Ein Ansatz ist, die Krankenhausstrukturen zu zentralisieren und sie dabei von oben (den Uniklinika und Maximalversorgern) nach unten festzuschreiben, indem die Finanzmittel umgekehrt von unten nach oben durch bessere Vergütung der Großkliniken umverteilt werden. Das würde bedeuten, dass gleiche Leistungen in einem Uniklinikum zukünftig höher vergütet werden als in einem Haus der Grund- und Regelversorgung. Was würde das auslösen? Wahrscheinlich vor allem einen noch schärferen Wettstreit um die meisten Patientinnen und Patienten sowie die besten Fachkräfte und eine Einschränkung des Leistungsangebotes der dezentralen Standorte in der Fläche.
In diesem Modell würden Uniklinika und Maximalversorger quasi als Gatekeeper die Patienten-Ströme steuern. Und da sie ja nicht nur Spezialmedizin anbieten, sondern mehr oder weniger das gesamte Leistungsspektrum, fördert es den Anreiz, möglichst viele Patientinnen und Patienten zu sich zu lenken. Würde dies nicht auch zu Lasten der kleinen und mittelgroßen Kliniken gehen, die die nahe Versorgung in der Fläche absichern? Ihnen drohte dann eine Schließungswelle und damit das schrittweise Ausbluten der Grund- und Regelversorgung.
Schließlich stellt sich die Frage: Was passiert mit den vor Ort geknüpften und sehr gut funktionierenden regionalen Netzwerken? Welche Risiken birgt es, wenn sie einem Modell aus dem Elfenbeinturm weichen müssen, bei dem unklar ist, ob es überhaupt zu den regionalen Gegebenheiten und Bedarfen passt?
Die Pandemie hat gezeigt: Vor Ort hat die Bereitschaft zum vernetzten Arbeiten auf Augenhöhe deutlich zugenommen. Zudem sind dezentrale und regional verwurzelte Netzwerke flexibler und anpassungsfähiger als dies ein starres, bundeseinheitliches Stufenmodell sein kann.
Angesichts zunehmend knapper öffentlicher Kassen ist fraglich, ab die notwendigen Investitionsmittel in Milliardenhöhe überhaupt zur Verfügung stehen, die ein radikaler Umbau der Klinikstrukturen bräuchte. Das Beispiel NRW zeigt, dass Spezialisierung auf Maximalversorgungsniveau auch in Netzwerken funktioniert, ohne dass alle Fachgebiete in einem Haus zentralisiert sind.
Was wird aus den in den Ländern gerade begonnenen Planungsreformen, wenn ihnen der Bund eine Finanzierung nach einheitlichen Versorgungsstufen überstülpt? Radikale, einfache Lösungen wirken zwar attraktiv, doch der Versorgungsrealität vor Ort werden sie nicht gerecht.
Daher: Was wir jetzt brauchen, ist eine Reform mit Bodenhaftung, die aus den Erfahrungen in den Ländern lernt und die dort laufenden Reformen unterstützt, anstatt sie auszubremsen. Das ist auch angesichts der knappen Kassen der sinnvollste Weg, denn bestehende Strukturen weiterzuentwickeln kostet weniger als bundesweit einheitliche, zentralisierte Strukturen neu aufzusetzen.