Gesundheitsversorgung

Über die Gefahr von Ambulantisierungs-Zyklen 

  • Krankenhausreform
Über die Gefahr von Ambulantisierungs-Zyklen 
Andreas Beivers © Regina Sablotny

Auch wenn sich die finale Version des Gesetzestextes nun doch verzögert, sind die Leitplanken klar: Neben Leistungskonzentration, Transparenz und Ambulantisierung sind die neuen Anreize in den Vergütungsstrukturen von zentraler Bedeutung. Die Regelungen haben das Zeug dazu, den Strukturwandel auf den Weg zu bringen – gleichzeitig starten sie einen Blindflug, den es so bis dato noch nie gab. 

Als der Bund Anfang des Jahrtausends die DRGs eingeführt hat, wussten die Handelnden aufgrund von Studien aus dem Ausland, was in etwa auf das System zukommt: ein Anreiz zu kürzeren Verweildauern, Fallzahlsteigerungen der Kliniken und der Trend, erbrachte Leistungen in eine „auskömmliche Fallpauschale“ zu codieren. Deshalb stand von Anfang auf der Agenda, gewisse Fehlanreize „einzufangen“ (Stichwort: untere Grenzverweildauer, Fallprüfungen durch den MD, Mehr- und Mindererlösausgleiche sowie später dann noch den Fixkostendegressionsabschlag etc.). Das Ergebnis war ein komplexes und bürokratisches System, dass nun neu aufgestellt werden soll. 

Dieses Mal ist es jedoch anders: Die Kombination aus sehr unterschiedlichen Anreizstrukturen wird je nach Leistungsgruppe (unter anderem in Abhängigkeit von der Kostenstruktur des einzelnen Hauses) zu ganz unterschiedlichen und bis dato unbekannten Anreizen in der Leistungserbringung führen. So sind beispielsweise aufgrund der Vorhaltebudgets unerwünschte Anreize, mehr oder auch (zu) wenige Leistungen anzubieten, denkbar. Dies wird bereits kontrovers diskutiert. 

Mögliche Verzerrungen durch Hybrid DRGs

Aber auch im Bereich der gesundheitspolitisch so gewünschten Ambulantisierung, in Kombination mit Hybdrid-DRGs und dem AOP-Katalog, kann es zu Anreizverwerfungen kommen. Stand heute ist für viele Kliniken das ambulante Leistungsgeschehen nicht rentabel – vor allem weil neben neuen Abläufen und anderen Zielsetzungen auch bauliche Veränderungen nötig sind. Dafür soll nun ein Anreiz gesetzt werden: Durch Hybrid-DRGs – ebenso wie durch die Vorhaltebudgets – soll es den Kliniken schmackhafter gemacht werden, stationsersetzend zu behandeln. Das ist gut, kann aber auch zu Verzerrungen führen, denn eines ist sicher: Wenn nun im großem Stil ambulantisiert wird, führt dies dazu, dass die verbleibenden vollstationären Patienten eine höhere Fallschwere – und somit auch einen höheren Casemix (CM) aufweisen werden. Dies wird von Leistungsgruppe zu Leistungsgruppe unterschiedlich sein und hat dann auch Auswirkungen auf die jährlich – mit retrospektiven Daten stattfindende – Fallpauschalenkalkulation des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK). 

Wenn nun einer Klinik eine Leistungsgruppe zugesprochen wird und ein Vorhaltebudget vereinbart wurde, besteht zunächst im ersten Jahr der Anreiz, soviel wie möglich stationsersetzend zu behandeln – 60 Prozent des Budgets läuft ja weiter. Es sei denn, man reißt die „magische 80-Prozent-Grenze“, aber darauf werden die Kliniken achten. In dieser Zeit wird die stationäre Fallschwere, die ja für die Kalkulation des zukünftigen Fallpauschalenkataloges verwendet wird, steigen. Nach Ablauf dieses Prozesses – wenn der dann höher bewertete Fallpauschalenkatalog vorliegt – und im übernächsten Jahr die Neuverhandlung des Vorhaltebudgets ansteht, gibt es wieder einen erhöhten Anreizgeben, vollstationär zu behandeln. Der CM steigt, die Vergütung wird besser. 

Ist dieser Zyklus beendet, würde er dann turnusmäßig alle drei Jahre immer wieder von vorne beginnen. Ein Ambulantisierungs-Zyklus.  

Das wird sicherlich nur in vereinzelten, elektiven Leistungsgruppen mit spezifischer Kostenstruktur möglich sein. Es gilt aber, dies zu beobachten. Ein Mix der verschieden Anreizsysteme, wie derzeit geplant, ist nicht erprobt. Umso wichtiger ist eine genaue Beobachtung des Marktes und ein rechtzeitiges Nachjustieren. Den großen Fehler des DRG-Systems, ein ohnehin schon komplexes System immer weiter zu bürokratisieren, darf die Politik aber nicht wiederholen. Wer neben residual-DRGs, Vorhaltebudgets, Pflegebudgets, Hybrid-DRGs, degressiven Tagesentgelten, AOP-Katalog et cetera dann noch weitere Regulierungshürden einbaut, läuft Gefahr, dass am Ende wirklich niemand mehr versteht, wohin der Blindflug führt.

Autor

Prof. Dr. Andreas Beivers

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