„Sie sind hier in einem Landstrich, in dem gern Klartext gesprochen wird“, konstatierte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bei der Tagung des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) in Dresden und lieferte auch gleich Beispiele dafür: So könne die gesamte Bundesrepublik von Sachsen eine Menge lernen. Einerseits wegen des hier erfolgreichen Krankenhausstrukturwandels nach der Wende, andererseits wegen des verstärkten Einsatzes ausländischer Fachkräfte, vor allem aber wegen der konstruktiven Zusammenarbeit der sächsischen Akteure im Gesundheitswesen.
Kretschmer: Probleme nicht mit mehr Geld vorerst lösen
„Ich habe nicht das Gefühl, dass die Protagonisten sich hier feindselig gegenüberstehen. Sie haben gemeinsame Ziele. Das würde ich mir für ganz Deutschland wünschen“, so der Ministerpräsident. Bundesweit würden einige Beteiligte der Branche immer nur nach mehr Geld rufen. „Anders als in Bayern, können wir das Problem in Sachsen nicht einfach totschweigen und mit mehr Geld vorerst lösen“, sagte Kretschmer. „Ein breiter Schulterschluss“ sei nötig, betonte er wiederholt, beschrieb jedoch die jüngsten Bund-Ländertreffen mit Lauterbach zur Krankenhausreform als „ein vertrauensvolles Gespräch und gutes Miteinander“.
Die unterschiedliche Ausgangslage einiger Bundesländer dürfe man nicht unterschätzen, sagte Lauterbachs Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Antje Draheim: „Die neuen Bundesländer haben bereits die große Transformation ihrer Krankenhauslandschaft hinter sich und sind teilweise transformationsmüde. Flächenländer wie Niederachsen und NRW haben sich ganz gut auf den Weg gemacht und andere sind wiederum überhaupt nicht weit“, sagte sie.
Augurzky: Sektorenübergreifende Versorgung ist Herausforderung
Die Herausforderung in den neuen Bundesländern ist es, eine sektorübergreifende Versorgung ins Laufen zu bringen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, führte auch Gesundheitsexperte Boris Augurzky vom RWI in Essen aus, während es beispielsweise in NRW um eine echte Umstrukturierung und Bettenabbau gehe. Augurzky erläuterte, wie eine Planung nach Leistungsgruppen für Kliniken im Detail aussehen könnte.
In Richtung des DKG-Vorstandsvorsitzenden Gerald Gaß formulierte Draheim, man solle bitte nicht immer die falschen Narrative bedienen: „Die Politik leidet ohnehin unter einem erheblichen Vertrauensverlust in der Bevölkerung. Das muss man nicht noch befeuern durch Destruktivismus und gegenüber der Presse in einer Weise, die nicht angemessen ist.“ Die Staatssekretärin zeigte sich optimistisch, dass die Länder und das BMG sich am 10. Juli auf Eckpunkte für die Reform einigen würden. Der Bundesgesundheitsminister selbst hatte seine Teilnahme für die VKD-Tagung in Dresden erst zu-, dann aber wegen der fast gleichzeitig stattfindenden Gesundheitsministerkonferenz abgesagt.
Gaß: Künftig mehr ambulante und stationäre Fälle
„Wir Krankenhäuser sind doch längst viel weiter, als die meisten glauben“, konterte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß. „Seit Jahren fordern wir eine Umstrukturierung. Wir haben keine Angst vor Zentralisierung und auch nicht vor Qualitätstransparenz. Aber der Weg dahin jetzt ist eine Katastrophe! Auf einem Trümmerfeld kann man keine neue Welt errichten!“ Es werde doch künftig nicht nur mehr ambulante Fälle, sondern aufgrund der alternden Bevölkerung auch mehr stationäre Fälle geben. Man brauche also stationäre Kapazitäten.
Leber: Struktur über Qualität bereinigen
Er verstehe nicht, warum die DKG beim Thema Qualitätssicherung und -transparenz von einer Forcierung des kalten Strukturwandels spreche, entgegnete Wulf-Dietrich Leber, Abteilungsleiter Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband. Denn erstens seien Qualitätsberichte seit Jahren öffentlich und zweitens müsse man die Struktur doch über Qualität bereinigen.
„Die kalte Strukturbereinigung kommt durch den Rückgang der Erlöse“, entgegnete Gaß. „Da kommt jetzt die Qualitätsdebatte noch als I-Tüpfelchen obendrauf!“ Die nicht validierten veröffentlichten Ergebnisse zu vermeidbaren Todesfällen seien nur ein Versuch Lauterbachs gewesen, die Länder massiv unter Druck zu setzen. „Man darf der Bevölkerung auch nicht suggerieren, dass man an jedem Standort optimale Bedingungen anbieten kann. Das wird nicht möglich sein.“
Lauterbach hätte die Level nicht plötzlich als Qualitätsindikatoren benutzen sollen, bemerkte Michael A. Weber, Präsident des Verbands leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte Deutschlands (VLK). „Spätestens jetzt sind die Länder erst recht aufgewacht und werden jedes Detail prüfen wollen, wenn es um das Thema geht.“
Kaufmann: Patientensicht kommt zu kurz
Notfallversorgung, Ambulantisierung und Personaluntergrenzen waren weitere Blöcke in der Podiumsdiskussion. Bei allem komme ihr die Perspektive der Patienten zu kurz, sagte Dresdens Bürgermeisterin, Kristin Klaudia Kaufmann. „Der Bürger ist ein Pragmat, er will, dass ihm geholfen wird und er hat seine Chipkarte“, sagte sie. Und wenn er keine guten ambulanten Strukturen vorfinde, weiche er eben aufs Krankenhaus aus. An den Schnittstellen hake es jedoch überall. Zwischen Reha und Krankenhaus sowie Altenpflege und Krankenhaus sei es besonders schlimm. „Eine Gesundheitsreform sollte zuvorderst die Frage stellen, was Patienten brauchen, um gesund zu werden.“