Das Krankenhauszukunftsgesetz verschafft der Digitalisierung im Gesundheitswesen Aufwind. Krankenhäuser, die Fördergelder erhalten, müssen ein Patientenportal umsetzen. Der Klinikkonzern Sana setzt auf eine eigens entwickelte Plattform, die Ende 2023 gelauncht werden soll.
Pandemie, Arbeitskräftemangel und geopolitische Krisen – all das betrifft massiv das Gesundheitswesen neben einer immer weiter zunehmenden Regulierung. Sie sind gleichzeitig Treiber einer sich beschleunigenden Digitalisierung. Deutlich wird das etwa am Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG). Auf Basis des Fördertatbestandes 2 werden viele Kliniken mehr oder weniger aufwendige Patientenportale einführen. Für einige von ihnen ist das mit einem größeren Risiko verbunden: Die Kosten für Anschaffung und besonders für Betrieb sowie Pflege sind hoch, ein einfaches Patientenportal wird nur wenig zur Erlössituation beitragen. Werden die Muss-Kriterien des KHZG nicht erreicht oder muss die Förderung schlimmstenfalls sogar zurückgezahlt werden, kann das Krankenhäuser in existenzielle Not bringen.
Die Digitalisierung im Krankenhaus ist zwangsläufig genauso komplex wie die vernetzten Prozesse der Patientenversorgung. Digitale Prozesse können nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die dafür notwendigen Daten ohne Medienbrüche, also vollständig digital und standardisiert, verfügbar sind. Wird die Hoheit über die eigenen Daten erlangt, können sie einrichtungsübergreifend genutzt werden – auch für ein Patientenportal. Digitalisierung muss, wenn sie nachhaltig sein soll, von innen nach außen wachsen.
Elementar für den Aufbau des Portals ist es, die einweisenden Ärzt:innen einzubeziehen und die technischen Möglichkeiten der Zuweiserkommunikation zu verbessern. Patient:innen wird die Möglichkeit geboten, ihre Ärzt:innen als Vertreter zu berechtigen. Diejenigen, die nicht mit digitalen Medien arbeiten möchten, können über die Papierform einwilligen, dass ihre Daten digital genutzt werden dürfen.
Portal „MeineSana“
Für die Sana Kliniken ist das geplante Patientenportal „MeineSana“ nicht in erster Linie die Erfüllung der Muss-Bedingungen aus dem Fördertatbestand 2 des KHZG. Die Konzepte und Grundlagen entstanden lange bevor diese Förderrichtlinie veröffentlicht wurde. „MeineSana“ ist Teil der Konzern-Digitalisierungsstrategie, die auf die nachhaltige Verbesserung der Versorgungsprozesse abzielt. Das Portal ermöglicht regionale Versorgungsstrukturen, Kooperationen zwischen Einrichtungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Expertisen sowie die Öffnung sowohl in erweiterte Bereiche der Prävention als auch der Heil- und Hilfsmittelversorgung.
Sana strebt an, die Plattform Ende 2023 anzubieten und zu launchen. Das Portal soll in allen Sana-Einrichtungen zum Einsatz kommen und die verschiedenen Akteure im Gesundheitssystem miteinander vernetzen. Von diesem Angebot sollen primär die Patient:innen profitieren. Es unterstützt zudem verstärkt die Zuweiser und das Klinikpersonal, die Patient:innen digital durch die Vielfalt der Dienstleistungen in der „Sana-Welt“ zu begleiten.
Das Gesundheitsportal basiert auf einer standardisierten Plattform, dem Sana eHealth Network (SeN), und soll alle Bereiche der Gesundheitsdienstleistungen unterstützen, beginnend bei der Prävention und dem Patientenengagement über den ambulanten Bereich bis hin zur stationären Versorgung. Auch die nachgelagerten Prozesse wie das Entlassmanagement oder die Überführung in die Rehabilitation und Pflege werden von „MeineSana“ adressiert (siehe Abb.).
Ein weiteres Ziel ist die sukzessive Digitalisierung von Prozessen, den heute noch analogen, teilweise fehleranfälligen Tätigkeiten – in diesem Zuge sollen auch die Prozesse optimiert und nicht einfach eins zu eins digitalisiert werden. Das Gesundheitspersonal soll von repetitiven und zeitaufwendigen administrativen Aufgaben entlastet werden. Viele Prozesse vor, während und nach dem Behandlungsverlauf der Patient:innen können auf die individuellen Bedürfnisse angepasst und zeitlich so gesteuert werden, dass sie wie Zahnräder ineinandergreifen. Hierzu gehört unter anderem die Vorverlagerungen von (administrativen) Prozessen eines Klinikaufenthalts in die häusliche Umgebung. So können gezielt Informationen zur geplanten Behandlung, Aufklärungsbogen, Verträge, Services oder Wahlleistungen schon vor dem Krankenhausbesuch erledigt werden. Dieses Angebot entlastet nicht nur das Personal, sondern auch die Patient:innen können sich umfänglicher informieren, was sich wiederum in qualifizierteren Nachfragen widerspiegelt.
Für die Konzeption des Portals hat der Gesundheitsdienstleister ein interdisziplinäres Kernteam mit unterschiedlichen Kompetenzen gebildet. Des Weiteren wurden Workshops unter Einbindung von relevanten Stakeholdern und potenziellen Anwendern durchgeführt, um die Anforderungen an ein Patientenportal mit den Kernfunktionalitäten und dem Priorisierungsgrad herauszuarbeiten. Die Analyse ergab, dass folgende Funktionalitäten die größten Effekte auf die Patient Journey – beziehungsweise auf die Prozesse der klinischen Mitarbeitenden – haben:
Aufnahmeprozess
Der von den Patient:innen durchgeführte Self-Check-in spart Zeit. Weitere Entlastung des Personals entsteht durch die Übernahme strukturierter Daten im Aufnahmeprozess, was wiederum eine Verkürzung der präinterventionellen Verweildauer nach sich zieht. Die digitale Selbstanamnese in Kombination mit der digitalen Unterschrift für Einwilligungen, Verträge oder Bestätigungen reduziert den Zeitaufwand für das Klinikpersonal zusätzlich.
Terminmanagement
Die Möglichkeit, rund um die Uhr digital Termine buchen zu können, wird mittlerweile von vielen Patient:innen genutzt. Dieser Service dient der Patienten- und Zuweiserbindung. Er entlastet das Personal, zudem führt die schnelle Ersatzterminkoordination zu einer besseren Planungssicherheit. Die Videosprechstunde hat ihre Berechtigung primär im ambulanten Bereich der Ambulanzen und der Medizinischen Versorgungszentren, in der stationären Versorgung liegt das größte Potenzial in der Nutzung für Aufklärungsgespräche.
Patienteninformation
Die frühzeitige Bereitstellung von Informationsmaterial und Aufklärungsvideos außerhalb des Klinikaufenthalts führt bei den Patient:innen zu einem besseren Verständnis für die geplanten Behandlungen und Prozesse. Es bleibt ausreichend Zeit für etwaige qualifizierte Verständnisfragen. Innerhalb der Klinik sorgen die informierten Patient:innen für die Prozessoptimierung und Entlastung des Personals.
Entlassmanagement
Der Service wird aus einer Hand geliefert, verringert den manuellen Abstimmungsbedarf und sichert somit zeitnah die Anschlussheilbehandlung. Außerdem wird so die Adhärenz, also das Festhalten an dem Behandlungsplan und die Therapiesicherheit der Patient:innen, gestärkt – bei gleichzeitiger Verkürzung der Verweildauer im Krankenhaus.
Zuweiserunterstützung
Der sichere und strukturierte Dokumenten- und Datenaustausch führt zu einer nahtlosen Verfügbarkeit von Diagnose- und Behandlungsdaten, was wiederum in Personalentlastung, Prozessoptimierung und Zeitersparnis resultiert. Die vereinfachte Kontaktaufnahme über „MeineSana“ ist ein weiterer Vorteil für die Arbeitsabläufe. Zuweiser können spezielle Sprechstunden für ihre Patient:innen direkt buchen und erhalten, wenn sie berechtigt wurden, Zugang zu internen Dokumenten, beispielsweise dem OP-Bericht.
Dokumentenzugriff
Liegt die entsprechende Einwilligung vor, werden Patientendokumente und strukturierte Daten rechtzeitig im System vorhanden sein, sodass eine optimale und prozessoptimierte Behandlung stattfinden kann. Diese kann sowohl zwischen den Sana-Einrichtungen als auch über die offene Plattform hinaus bei Verlegungen in andere Einrichtungen digital begleitet werden. So ist geplant, nach Einwilligung der Patient:innen über eine Kopplung an IHE-basierte Strukturen die dort angelegten Fallakten automatisch mit den Dokumenten aus „MeineSana“ zu ergänzen. IHE steht für Integrating the Healthcare Enterprise, eine Initiative von Anwendern und Herstellern mit dem Ziel, den Datenaustausch zwischen IT-Systemen im Gesundheitswesen zu standardisieren und zu harmonisieren.
Systemlandschaft
Die Sana hat sich entschieden, das Portal nicht an eine Generalunternehmerschaft zu vergeben, sondern in mehrere Ausschreibungsgegenstände zu unterteilen. So kann das Portal auch künftig um weitere Funktionen und Bausteine erweitert werden, ohne dass dafür ein Generalunternehmer überzeugt werden muss. Für jeden Teilaspekt kann nach dem Prinzip „Best of breed“ agiert werden. Das bedeutet, dass für jeden Bereich die Softwareunterstützung gewählt werden kann, die den Anforderungen am besten gerecht wird. Diese individuelle Kombination aus Programmen verschiedener Hersteller führt zu einer durchgängigen und flexiblen Systemlandschaft.
Des Weiteren kann der Roll-out interaktiv gestaltet werden und mit einzelnen Modulen, die auch als Stand-alone-Lösung funktionieren, an den Start gehen. Sobald die Interoperabilitätsinfrastruktur steht, können die einzelnen Module sukzessive zur Gesamtplattform zusammengefügt werden. Für die einzelnen Roll-out-Phasen werden Blueprints erstellt und den einzelnen Einrichtungen als Guideline zur Verfügung gestellt.
Changemanagement
Eine funktionierende Technik ist die Basis, aber der kritischste Punkt bei der Implementierung ist die frühzeitige Einbindung aller Beteiligten. Da der Funktionsumfang des Patientenportals teilweise massiv in über Jahrzehnte eingespielte Prozesse eingreift, müssen die Stakeholder sensibilisiert und mitgenommen werden. Das ist die Stellschraube, die über Erfolg und Misserfolg bei der Etablierung eines Patientenportals entscheidet. Mit durchdachten und interoperablen Lösungen, die einen tatsächlichen Mehrwert liefern, müssen die Beteiligten kommunikativ abgeholt und ihre möglichen Bedenken abgebaut werden.
Die Etablierung eines Patientenportals ist kein reines IT-Projekt, sondern ein Zusammenspiel aus verschiedenen Erfahrungsschätzen und Professionen, die gemeinschaftlich arbeiten. Sana hat dafür ein Berufsbild geschaffen: In jeder Sana Klinik gibt es eine:n Leiter:in Klinische Prozesse und Digitalisierung. Sie arbeiten an der Schnittstelle zwischen Geschäftsführung, Medizinischer Leitung, Pflegeleitung und den lokalen IT-Leitern. Nur im Zusammenspiel aller Abteilungen ist eine erfolgreiche Eta- blierung des Gesundheitsportals möglich.