KHZG

Transformation ist ein Mannschaftsspiel

  • Digitalisierung
  • Technologie
  • 25.07.2023

f&w

Ausgabe 6/2023

Seite 572

Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz müssen Kliniken in knapper Zeit zahlreiche IT-Projekte anstoßen. Die Transformation gelingt dabei keinesfalls im Soloprogramm, sondern nur ganzheitlich im Team.

Die digitale Transformation stellt neue Bedingungen an Krankenhäuser. So gelingt sie nur anhand eines sauberen Anforderungsmanagements bei den (künftigen) Anwendern, eines begleitenden Changemanagements sowie der Em­pathie für die von der Veränderung betroffenen Menschen.

Die Stabsstelle Digitale Transformation des Universitätsklinikums Halle (UKH) setzt aktuell eines der dringlichsten Themen für Krankenhäuser um: das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG). Von Beginn an hat das Uniklinikum die Betroffenen – insbesondere Ärzte und Pflegende – mit eingebunden, um sie innerhalb der IT-Projekte frühzeitig zu Beteiligten zu machen. Gemeinsam mit potenziellen Projektleitern wurden beispielsweise entsprechende Projektanträge, die anhand einer Kostennutzenmatrix durch den Klinikumsvorstand bewertet wurden, entworfen. Die Matrixorganisation stellt sicher, dass die Projektmitarbeiter im Team ein gemeinsames Ziel entwickeln und sich mit dem Projekt identifizieren. Der Projekterfolg steht im Mittelpunkt und das gelingt nur durch entsprechende Fokussierung – ohne Ablenkung durch das operative Geschäft. Hier lag der Fokus auf der Erprobung und Umsetzung der Standardlösungen sowie dem Aufbau einer Programmorganisation mit enger Einbindung der künftigen Anwender. Klare Zuordnung zum Projekt und definierte Rollen sowie Aufgaben – idealerweise in einer Matrixorganisation – sind Voraussetzung für den Erfolg.

Das digitale Mindset

Die IT ist ein wesentlicher Teil der digitalen Transformation. Sie umfasst die technologischen Werkzeuge und Prozesse, die zur Verarbeitung, Speicherung und Übertragung von Daten verwendet werden. Die digitale Transformation dagegen stellt einen umfassenderen Wandel in der Art und Weise dar, wie Unternehmen Technologie nutzen, Geschäftsprozesse optimieren, Kunden erreichen und Wettbewerbsvorteile erzielen. Viele Unternehmen übersehen im Zuge der Digitalisierung, dass sie neben der Technik auch ihre Kultur und das Mindset der Mitarbeiter weiterentwickeln und ein konsequentes Anforderungsmanagement etablieren müssen. Kommunikation, Changemanagement sowie Schulungen sind wesentlicher Bestandteil zur Sicherstellung der Transformation.

Wenn eine wirkliche digitale Transformation in den Kliniken erfolgen soll, dann ist das ein Großprogramm und es wird zu Konflikten um Ressourcen und Zeitpläne kommen. Ohne gute direkte Führung durch den Klinikvorstand ist das Projekt zum Scheitern verurteilt. Grundlegende Veränderungen von Unternehmen, wie die digitale Transformation, geschehen aber nicht allein auf Wunsch oder nach einer Freigabe durch die Geschäftsführung. Dazu ist das unten dargestellte strukturierte Vorgehen wichtig (Abbildung).

 

Strukturierte Ist-Analysen mit Anwenderfokus sind die Grundlage für einen späteren optimierten erfolgreichen Zielprozess. Beim Patientenportal startet das UKH beispielsweise mit Interviews von Pflegekräften und Ärzten über deren aktuelles Terminbuchungsverhalten in allen Ambulanzen. Dies dient dem Ziel eines größtmöglichen gemeinsamen Nenners für den zukünftigen Soll-Prozess. Ausgehend davon werden fachliche und technische Mindestanforderungen definiert, mit deren Hilfe die Auswahl des IT-Werkzeugs erfolgt. Schwerpunkt ist dabei Standardsoftware, damit genügend Ressourcen zur Anpassung der Geschäftsprozesse bleiben. Zentrale Aspekte sind neben dem Anwenderfokus eine Aufklärung und eine Wissensvermittlung zur effektiven Nutzung.

Wenn Anwender bereits frühzeitig in die Prozesse eingebunden werden, wird den anstehenden Veränderungsängsten massiv entgegengewirkt. Positiver Nebeneffekt ist eine Reduzierung von Fehlern, da die Patient Journey durchgängig gedacht wird. Potenzielle Probleme werden somit im Vorfeld erkannt und in der Umsetzung vermieden

Transformation im Entlassmanagement

Die Einführung des digitalen Entlassmanagementsystems im Rahmen des KHZG beschreibt das Vorgehen außerdem sehr gut: Gemeinsam mit dem Sozial- und Belegungsmanagement hat die Stabsstelle Digitale Transformation des UKH den Ist-Prozess modelliert. Dadurch wurden die Vielschichtigkeit und die tatsächlichen fachlichen Anforderungen klarer. Abhängig vom Prozess wurde das Werkzeug beim Entlassmanagement so gewählt, dass im ersten Schritt nur fachliche Prozesse abgebildet werden, die auch wirklich vom IT-Werkzeug prozessnah umgesetzt werden konnten. So konnte der tatsächliche Soll-Prozess mit den Anwendern modelliert und getestet werden, sodass er für die Schulungen verwendet werden und die Umsetzung unmittelbar danach erfolgen konnte.

Transformation im Medikationsmanagement

Ein weiteres Beispiel ist das Medikationsmanagement: Nach der Ist-Analyse und Einbindung von Anwendern allein beim Einlesen der Medikation zeigte sich, inwiefern sich die Anforderungen aus der Praxis vom modellierten IT-Standardprozess unterscheiden. Somit wurde das Zielbild entsprechend der fachlichen Anwendung gestaltet. Fehler können dadurch frühzeitig erkannt und behoben werden, bevor die Anwendung in die Schulungen und den Livebetrieb geht.

Zäher Wandlungsprozess

Die digitale Transformation benötigt eine hohe Aufmerksamkeit und lässt sich mit dem Eisberg-Modell beziehungsweise der sogenannten 80-20-Regel des Pareto-Prinzips (Theorie der Persönlichkeit nach Sigmund Freud) erläutern. Die nicht sichtbaren Transformationsprozesse des Eisbergs unter Wasser – die Auswirkungen von Prozess- und Verhaltensveränderungen – sind deutlich vielschichtiger als die bloße Einführung neuer Techniken. Die Emotions- und Beziehungsebene – Fragen nach dem „Wie“ und „Warum“ –, zum Beispiel veränderte Kompetenzen, Denkweisen, aber auch ungeschriebene Regeln und Muster sowie neue Arbeitsmodelle, müssen erklärt, begleitet und auch vorgelebt werden. Wie mit allen Veränderungen gilt es, Ängste zu erkennen und aufzulösen. Dafür bedarf es einer gezielten fachlichen Begleitung und eines veränderten Change- und Schulungsmanagements.

Beim Entlassmanagement war die Bereitstellung der Schnittstelle und der Software innerhalb von vier Wochen fertig, zwei Monate vorher wurde sich mit den Prozessen beschäftigt. Nach einer Testphase der Technik wurden die Schulungen vorbereitet. Nach der Liveschaltung an einem Tag haben sich zunächst circa 50 Prozent der Nutzer für die Plattform angemeldet. Hier setzt die Nachbetreuung ein – funktioniert die Implementierung? Wichtig: sowohl Feedback erfragen als auch Feedback regelmäßig geben. Zudem sollte das Projektziel immer wieder kommuniziert werden, um die Basis für eine nachhaltig erfolgreiche Umsetzung zu schaffen. Erfahrungsgemäß dauert die Nachbereitung genauso lange wie die Vorbereitung. Die eigentliche technische Implementierung ist der kleinste Teil.

Die Transformation des Patientenportals wird im UKH ähnlich ablaufen: Aktuell wird die Onlineterminierung vorbereitet, was zwei bis drei Monate andauern wird. Die IT-Implementierung läuft parallel innerhalb von acht Wochen, dann folgen Kick-offs und gegebenenfalls Anpassungen, Vorbereitungen des Go-lives, Testphase sowie Feedback.

Erfolg ist der beste Antrieb

Wie überall braucht es erste Erfolge, spürbare Veränderungen und Unterstützung vom Management. Neben der Erhebung derdigitalen Reife im Rahmen des KHZG anhand des Digitalradars war eine Aufgabe, die Digitalisierung unserer Pflegeschule um die Ausbildungsbedingungen zu verbessern. Mittelfristiges Ziel ist gut ausgebildeter und motivierter Nachwuchs, der offen für Veränderungen und Neues ist. Das Haus hat es geschafft, den Unterricht während der Coronapandemie in ein digitales Format zu bringen. Danach gab es kein Zurück mehr in die analoge Ausbildungswelt. Eine neu gegründete Expertengruppe setzte sich zur Aufgabe, ein tragfähiges Medienkonzept für den Unterricht zu entwickeln – weg vom klassischen Frontalunterricht hin zu hybriden Modellen.

Wie empfinden Auszubildende ihren Unterricht und wie können sie diesen tragfähig mitgestalten? Dazu haben Interviews in den Klassen stattgefunden. Schließlich gilt es, in Zeiten eines Arbeitnehmermarkts die Ausbildung attraktiv zu gestalten und potenzielle Arbeitskräfte zu binden. Mit der Fördersumme von 110.000 Euro ist das UKH in den letzten Zügen, die digitale Transformation in der Pflegeschule abzuschließen. Das Uniklinikum wird bis Ende Juni unter anderem digitale Pflegepuppen, Flipcharts und Mikroskope fächerspezifisch im Einsatz haben.

Erfolgsrezept mit Weitsicht

Insgesamt braucht es Weitsicht, um ein Krankenhaus digital zu transformieren. Hierbei sind eine offene Fehlerkultur, das Probieren getreu dem Motto „einfach mal machen“, Resilienz gegen die Zweifler und Widerstände wichtig, zudem – und vielleicht am wichtigsten – die Empathie. Betroffene wollen einen Ansprechpartner, der für sie da ist, ihre Probleme ernst nimmt und auf Augenhöhe in der jeweiligen Sprache kommuniziert. Zudem müssen Player wie Anforderungsmanager, Changemanager, IT-Experten und Anwender rechtzeitig integriert und geführt werden.

Die Faktoren des Erfolgs waren eine klare Digitalisierungsstrategie, Einbindung der Betroffenen durch Schulungen, Transparenz und Kommunikation, eine agile Projektorganisation und eine positive Veränderungskultur, die stets vorgelebt wird. Absolut wesentlich sind dabei: Visionen und Mut.

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