Berliner Kommentar

Bürokratieabbau: Mehr Vertrauen wagen

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  • 11.09.2024

f&w

Ausgabe 9/2024

Seite 815

Es ist ein alter Hut, gerade deshalb sollte man ihn endlich entsorgen: Die überbordende Bürokratie schwächt die Wirtschaft, sie kostet Zeit, Geld, Nerven, Konkurrenzfähigkeit. Zwar steht die deutsche Gesundheitsversorgung normalerweise nicht im Wettbewerb, jedenfalls nicht international. Gleichwohl könnte auch dieser Wirtschaftszweig viel effizienter arbeiten. Arztpraxen wenden für die Dokumentationspflichten jede dritte Arbeitsstunde auf. In den Kliniken sieht es nicht besser aus, wie kürzlich eine Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) ergab.

Natürlich ist eine sorgfältige Buchhaltung nötig, gerade in sensiblen Feldern wie der Medizin und der Pflege. Gewisse Regeln, Auflagen und Nachweise sind unerlässlich. Richtig genutzt, dienen sie dem Patienten, den Mitarbeitern, der Einrichtung, der Forschung und nicht zuletzt der Kostendisziplin. Das Erschreckende der neuen Erhebung ist aber, dass Ärzte und Pflegekräfte jeden Tag im Durchschnitt drei Stunden mit Papierkram verbringen, der häufig keinerlei Nutzen bringt – also ohne Qualitäts- oder Transparenzverlust gestrichen werden könnte.

Es ist übertrieben von der DKG zu sagen, dass der Bürokratieabbau ein Drittel der Arbeitszeit einsparen und damit fast 117.000 Pflegekräfte und 60.000 Ärzte in Vollzeit für Sinnvolleres freisetzen könnte. Denn auf gewisse Schreibarbeiten lässt sich eben nicht verzichten. Aber dennoch tut die Durchforstung der unzähligen Vorschriften dringend not. Das hat die DKG getan und 55 konkrete Änderungen vorgeschlagen, die bedenkenswert sind: Nachweispflichten könnten verringert werden, die Gesetzgebung müsse einer Bürokratiefolgenabschätzung unterliegen, es seien künftig ausreichend lange Umsetzungsfristen nötig, vor allem brauche es eine stärkere und intelligentere Digitalisierung.

Nicht überraschend setzt der Verband bei seinem liebsten Feind an, dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Bei dessen Begutachtung überschnitten sich überflüssigerweise Strukturprüfungen und Qualitätskontrollen, heißt es, die Richtlinien umfassten mehrere Hundert Seiten. Völlig übertrieben seien auch die Verfahren zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB). Diesen müssten sich alle Häuser einzeln unterziehen und dafür jedes Jahr identische Anträge stellen.

Der Klinikverband erwartet sogar noch mehr hemmende Auflagen durch die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). So sähen die Pläne eine minutenscharfe Zuordnung zu den neuen Leistungsgruppen vor, viel mehr als bisher im System der Abteilungen. Solchen Auswüchsen gilt es, Einhalt zu gebieten, zumal sie konträr zu Lauterbachs Absicht stehen, die Überregulierung zurückzufahren.

Was auch stimmt in dem DKG-Papier ist der Appell, dass weniger Kontrollwahn mehr Vertrauen erfordere. Das aber gilt für alle Seiten: Gerade in der Diskussion um die dringend nötige Neuordnung der stationären Versorgung traut derzeit niemand dem anderen über den Weg. Das ist eine schlechte Voraussetzung für die Klinikreform – und auch für den Bürokratieabbau.

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