Die Ambulantisierung der Krankenhäuser ist kein neues Thema. Doch ihre Umsetzung bleibt eine der größten Herausforderungen des deutschen Gesundheitswesens. Seit Jahren rechnen uns Gutachter vor: Deutschland behandelt zu viele Patientinnen und Patienten stationär. Im Dezember bezifferte das Wissenschaftliche Institut der AOK das Ambulantisierungspotenzial auf bis zu 60 Prozent. Unabhängig davon, ob diese Zahlen aus dem Kassen-Kosmos in dieser Höhe realisiert werden können, besteht Konsens: Die Versorgung muss ambulanter werden.
Das stationäre Modell gerät ins Wanken
Dennoch geschah lange wenig. Das Geschäftsmodell der Kliniken blieb stationär, weil Anreize fehlten und die Politik andere Prioritäten setzte. Projekte wie die spezialfachärztliche Versorgung scheiterten an Bürokratie und Regulation. Nun bringt der Kostendruck im Gesundheitswesen Bewegung. Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach zauberte die Hybrid-DRG aus dem Hut und zwang die Häuser mit einem Federstrich zum Umbau. Die Zahl der ambulanten Fälle steigt damit sprunghaft, das stationäre Modell gerät ins Wanken.
Dieser Wandel ist tiefgreifend. Krankenhäuser sind historisch auf stationäre Prozesse ausgerichtet. Ambulante Versorgung folgt hingegen anderen Regeln, erfordert andere Strukturen und ein anderes Denken. Hinzu kommt die Komplexität der Abrechnung. Neben den hochregulierten stationären Prüfmechanismen tritt nun die ambulante Welt mit eigenen Vorgaben.
Kliniken müssen sich neu organisieren
Ganz gleich, ob man den Hybrid-DRG etwas abgewinnen kann oder nicht: Die Kliniken müssen lernen, sich neu zu organisieren. Wer vorbereitet ist, kann profitieren. Beispiele wie das Fallmanagement in Oldenburg zeigen, dass der Umbau gelingen kann (Seite 30). Dort wurde ein ambulantes Setup implementiert, das Effizienz und Qualität verbindet.
Doch die grundsätzliche Frage ist noch unbeantwortet: Wer wird künftig die ambulante Versorgung im Grenzbereich zwischen den Sektoren dominieren? Sowohl Kassenärztliche Vereinigungen wie auch Krankenhäuser beanspruchen die Führungsrolle für sich. Ihre Verbände postulieren Kooperation und fairen Wettbewerb, in der Realität wird jedoch verbissen um jeden Cent und Euro gekämpft. Der Gastbeitrag von KBV-Chef Andreas Gassen in dieser Ausgabe verdeutlicht die Konfliktlinien. Vorbehalte gibt es auch gegenüber investorengetragenen Versorgern. Christine Marx, COO der Ober-Scharr-Gruppe, wirbt in ihrem Gastbeitrag für ein neues Miteinander.
Ambulantisierung auf dem DRG|FORUM 2026
Wir widmen uns diesem Megathema nicht nur in der vorliegenden Titelstrecke. Auch das DRG|FORUM 2026 wird viele dieser Fragen aufgreifen. Denn Ambulantisierung ist kein technisches Detail, sondern ein Systemwechsel. Er verlangt Investitionen, neue Prozesse und ein Umdenken in den Köpfen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften und Managerinnen. Wer jetzt handelt, sich vorbereitet und Kooperationen sucht, kann gewinnen. Wer zögert, riskiert den Anschluss zu verlieren. Die Zeit der kleinen Schritte ist vorbei. Die Ambulantisierung kommt – schneller, als viele glauben.
