Der GKV-Spitzenverband hat die Auswirkung einer Krankenhausschließung in Solingen analysiert. Berechnet hat der Verband das Szenario mit jenem Modell, das Karl Lauterbach demnächst den Bundesländern zur Verfügung stellen will.
Die Insolvenz eines bedarfsnotwendigen Krankenhauses – das ist eine Kombination von drei unbestimmten Begriffen, die die Diskussion in der Öffentlichkeit im Kontext der Krankenhausreform derzeit sehr beschweren. Dabei ist eine differenziertere Betrachtung der Auswirkungen (un)geplanter Veränderungen notwendig und möglich. Der häufig geäußerte Wunsch nach einer Auswirkungsanalyse ist sehr nachvollziehbar. Eine Insolvenz ist mitnichten gleichbedeutend mit einer Schließung. Der Weiterbetrieb des Krankenhauses ist ganz überwiegend bereits bei Einleitung des Insolvenzverfahrens gesichert und dadurch eher ein Aspekt der Sanierung. Aber welche Auswirkungen haben die wenigen Insolvenzverfahren, die in einer Schließung münden, für die Versorgungslage der Versicherten? Es ist einleuchtend, dass ein kleines Fachkrankenhaus eine andere Versorgungsrelevanz besitzt als eine Universitätsklinik in Summe. Darüber hinaus bieten auch große Krankenhäuser gelegentlich Versorgung, die weniger wichtig ist, und etliche kleine Krankenhäuser unterbreiten sehr wichtige Versorgungsangebote. Jede Diskussion auf dem Niveau „Krankenhäuser“ ist zum Scheitern verurteilt. Die neue NRW-Leistungsgruppensystematik bietet ein praktikables Instrument, das Krankenhaus als Summe seiner Leistungsgruppen zu verstehen und damit auch die Bedeutung für die zu versorgende Bevölkerung zu operationalisieren. Im Folgenden soll das populationsbezogene Berechnungs- und Simulationsmodell zur Planung und Folgenabschätzung, das Mitglieder der Regierungskommission zusammen mit dem GKV-Spitzenverband entwickelt haben, auf den Insolvenzfall der St.-Lukas-Klinik in Solingen im Jahr 2023 Anwendung finden.
Versorgungsrelevanz auf Basis der Leistungsgruppen
Das Modell ermöglicht es, die krankenhausstandortbezogene Versorgungsbedeutung und Bedarfsnotwendigkeit für die unterschiedlichen Leistungsgruppen zu erkennen. Für das Modell wurden die Leistungsgruppen nach Spezialisierungsgrad und Dringlichkeit in vier Kategorien mit Erreichbarkeitsgrenzen von 30, 45, 90 und 180 Minuten eingeteilt. Das Modell gleicht dann die potenzielle Nachfrage (die Wohnbevölkerung) und die tatsächliche Nachfrage (DRG-Fallzahl und Fallschwere) mit dem Angebot der Krankenhäuser in der jeweiligen Leistungsgruppe ab. Diese Nachfrage wird den Krankenhäusern in Abhängigkeit von Angebotsdichte und Erreichbarkeits-grenze der jeweiligen Leistungsgruppe zugeordnet. Bei gegebenen Angebotsstrukturen wird das Angebot in einer Leistungsgruppe wichtiger, je höher die Bevölkerungsdichte, die DRG-Fallzahl und die Fallschwere werden und je wohnortnäher eine Leistungsgruppe vorgehalten werden muss. Umgekehrt wird bei gegebener Wohnbevölkerung, DRG-Fallzahl und Fallschwere und Erreichbarkeitsgrenze die Vorhaltung einer Leistungsgruppe dann wichtiger, wenn nur wenige Krankenhäuser diese Leistungsgruppe anbieten. Zur Operationalisierung der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung berücksichtigt das Modell die Singularität der Angebote in den Leistungsgruppen über die Summe der von einer Schließung betroffenen Bevölkerung zusätzlich aufzubringenden Fahrminuten, um das nächst gelegene Krankenhaus zu erreichen. Aufgrund der Krankenhausdichte in der Region Solingen ist dies hier jedoch nicht von Belang.
St.-Lukas-Klinik ist nicht bedarfsnotwendig
Die St.-Lukas-Klinik stand mit drei weiteren Krankenhäusern in Trägerschaft der katholischen Kplus Gruppe, die im Januar 2024 wegen Insolvenz aufgelöst wurde. Eines der Krankenhäuser wurde zu einem Teil der GFO-Klinikgruppe in Hilden, die übrigen wurden geschlossen. Im Jahr 2022 wurden in der St.-Lukas-Klinik mit ihren acht Fachabteilungen und 300 Betten 7.252 stationäre Fälle versorgt (CMI 0,99). Damit ist das Haus zu den eher kleinen Grundversorgern zu zählen. Der GKV-Kliniksimulator des GKV-Spitzenverbandes zeigt, dass im Fall einer Schließung der St.-Lukas-Klinik kein Einwohner der Region länger als 30 Pkw-Fahrzeitminuten benötigen würde, um ein Krankenhaus der Grundversorgung zu erreichen. Die Analyse des GKV-Spitzenverbandes des Jahres 2023 zu bedarfsnotwendigen Krankenhausstandorten kam zu dem Schluss, dass 1.247 Krankenhäuser aus Patientenperspektive ausreichen, um zukünftig die bundesweite Versorgung der Bevölkerung zu sichern (vgl. Bibliomedmanager.de: Aus Patientensicht reichen 1.247 Kliniken). Die St.-Lukas-Klinik war nicht dabei. Die St.-Lukas-Klinik ist also weder aus Erreichbarkeitsgründen noch anhand von Strukturkriterien bedarfsnotwendig. Ist das Krankenhaus also in Gänze verzichtbar?
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