Digitalisierungsstrategie

Lauterbach kündigt Neustart der ePA an

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Lauterbach kündigt Neustart der ePA an
© BMG/Thomas Ecke Berlin

Die elektronische Patientenakte (ePA) kommt als Opt-out-Lösung – das ist ein konkretes Ziel der Digitalisierungsstrategie für Gesundheit und Pflege des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), die Minister Karl Lauterbach (SPD) am heutigen Donnerstag präsentiert hat. Zudem sollen bis 2025 mindestens 80 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten über eine ePA verfügen, bis Ende 2025 soll es eine Medikationsübersicht innerhalb der ePA geben und bis Ende 2026 sollen mindestens 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten durch das neue Forschungsdatenzentrum Gesundheit realisiert werden. Die angekündigten Vorhaben fußen auf zwei Gesetzen – einem Digitalgesetz sowie einem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) – die in finaler Abstimmung sind und in den kommenden Wochen vorgestellt werden sollen, kündigt Lauterbach an. Das Digitalgesetz soll die Opt-out-Variante der ePA möglich machen, das GDNG soll dafür sorgen, dass die Daten im System zusammengeführt werden können. 

Login mit "Digitaler Identität" 

Das deutsche Gesundheitswesen hinke bereits seit Jahrzehnten in der Digitalisierung im internationalen Vergleich hinterher und sei ein unterschätztes Thema, urteilt der Minister. „Wir haben große Probleme sowohl in der digitalen Versorgung als auch in der digitalen Forschung“, attestiert Lauterbach in der Pressekonferenz. Beispielsweise sei weder der Zugriff auf Patientendaten für die Forschung möglich noch eine Verknüpfung – trotz vorhandener ePA. Sie habe aktuell nur ein Prozent Nutzer. Die Einführung sei zu kompliziert aufgesetzt, werde unter anderem wegen der Opt-in-Variante so gut wie gar nicht genutzt. Zumal die vorhandenen Daten in den Patientenakten weder für Behandlung noch Forschung zur Verfügung stehen. „Wir sind in den letzten Jahren überhaupt nicht weitergekommen“, resümiert der Minister. Nun soll die Digitalisierungsstrategie die Versorgung auf ein neues Level heben. "Bei der Opt-out-Variante wird jeder Versicherte Träger einer ePA, außer es wird ausdrücklich dagegen widersprochen", erklärt er. Idealerweise sollen die Patienten zukünftig über ihre Krankenkassenapp Zugriff auf die ePA und ihre Daten beispielsweise für Ärzte freischalten können. Für den Login kündigt Lauterbach zudem die "Digitale Identität" an. Vorbilder seien Länder wie Estland oder Österreich, aber auch mit israelischen Digitalexperten sei man im Gespräch zur Umsetzung. 

Digitalgesetz

  • Bis Ende 2024 soll die ePA für alle gesetzlich Versicherte eingerichtet werden (Opt-Out).
  • Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und die Nutzung stark vereinfacht werden (E-Rezept kann dann sowohl mit Gesundheitskarte wie mit ePA-App eingelöst werden).
  • Ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln sollen vermieden werden, indem – in enger Verknüpfung mit dem E-Rezept – die ePA für jeden Versicherten mit einer vollständigen, weitestgehend automatisiert erstellten, digitalen Medikationsübersicht befüllt wird.
  • Die Gematik wird zu einer Digitalagentur in 100 Prozent Trägerschaft des Bundes weiterentwickelt und in ihrer Handlungsfähigkeit gestärkt.
  • Assistierte Telemedizin soll künftig in Apotheken oder Gesundheitskiosken angeboten werden können, insbesondere auch in unterversorgten Regionen.
  • Behandlungs-Programme (DMP) sollen um stärker digitalisierte Programme ergänzt werden.
  • Ein interdisziplinärer Ausschuss, der unter anderem mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) sowie Vertretern von Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll künftig die Digitalagentur bei allen Entscheidungen mit Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten. Dies ersetzt den bisherigen Prozess der Einvernehmensherstellung mit BSI und BfDI.

Silos auflösen, Daten verknüpfen

Aber auch die Forschung soll von der Digitalisierungsstrategie profitieren. Der Weggang von Biontech nach Großbritannien sei definitiv ein Problem. "Wir wollen die Daten für Wissenschaftler und Industrie verfübar machen, damit eine bessere Versorgungsqualität möglich wird und wir weg von den Datensilos kommen", so der Minister. "Wir haben Daten aus den unterschiedlichsten Quellen. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz wird es in Zukunft ermöglichen, pseudonymisierte Daten zusammenzuführen." Die Daten sollen dezentral gespeichert und organisiert werden, um Missbrauch zu verhindern. Hinzu kommt eine federführende Datenschutzaufsicht, die es ermöglichen soll, dass nur noch eine einzige Genehmigung notwenidg ist, um eine Studie oder ein Forschungsprojekt deutschlandweit stattfinden zu lassen. 

Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG)

  • Eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle wird aufgebaut, die den Zugang zu Forschungsdaten aus verschiedenen Quellen (zum Beispiel Krebsregister, Krankenkassendaten) ermöglicht. Die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen wird über Forschungspseudonyme ermöglicht. Die Daten bleiben dezentral gespeichert.
  • Die federführende Datenschutzaufsicht für bundesländerübergreifende Forschungsvorhaben wird auf alle Gesundheitsdaten erweitert. Die datenschutzrechtliche Aufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben im Gesundheitswesen erfolgt dann nur noch durch eine/n Landesdatenschutzbeauftragte/n.
  • Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird weiterentwickelt: Künftig soll auch die forschende Industrie dort Anträge auf Datenzugang stellen können. Entscheidend für die Anfragen ist der Nutzungszweck, nicht der Absender.
  • Die Datenfreigabe aus der elektronischen Patientenakte (ePA) wird vereinfacht, kann nutzerfreundlich in der ePA-App gesteuert werden (Opt-Out). Pseudonymisierte ePA-Daten sollen künftig zu Forschungszwecken automatisch über das FDZ abrufbar sein.

Weitere Kernelemente der Digitalisierungsstrategie sind die Telematikinfrastruktur (TI) und ePA zur individuellen Gesundheitsplattform weiterzuentwickeln, eine Digitalagentur aufzubauen, Interoperabilität zu stärken, digitalisierte Disease-Management-Programme zu etablieren, nicht-ärztliches Personal in der Telemedizin zu ermöglichen und die 30-Prozent-Limitierung aufzuheben sowie ein Kompetenzzentrum Digitalisierung & Pflege zu errichten und eine flächendeckende interoperable Pflegedokumentation sicherzustellen.

DKG: Impuls des Krankenhaus-Zukunftsfonds nicht verpuffen lassen

Bei der Einführung der Opt-Out-ePA nehme der Daten- und Patientenschutz laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) eine wichtige Rolle ein, genauso wie der Anspruch die medizinische Versorgung mit der Nutzung vorhandener Gesundheitsdaten laufend zu verbessern. "Daher begrüßen wir, dass die Gesundheitsdaten nicht nur in der elektronischen Patientenakte für die individuelle Versorgung der Patientinnen und Patienten genutzt werden sollen, sondern dass mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz auch die Grundlage für einen nationalen Gesundheitsdatenraum und die Nutzung für Forschungen und Innovationen geschaffen wird“, sagt Gerald Gaß, DKG-Vorstandsvorsitzender. Voraussetzung für die Opt-Out-Regelung sei, dass die Versicherten umfassend über ihre Rechte und den Nutzen der Opt-Out-ePA und der Gesundheitsdatennutzung informiert werden. Die DKG spricht sich für eine benutzerfreundliche ePA aus, die  technische Lösungen für alle Bevölkerungsgruppen anietet. Hierfür sollten unterschiedliche Nutzergruppen bei der Konzeption frühzeitig eingebunden werden.

Um die Ziele der Digitalisierungsstrategie umzusetzen, seien zudem finanzielle Mittel notwendig. Gerade die Umsetzung der ePA verursache in den Krankenhäusern, bezogen auf Interoperabilität und Sicherheit der Daten, enormen Aufwand. Gaß dazu: „Die Mär, dass man mit Digitalisierung Geld sparen kann, ist angesichts des Fachkräftemangels und der mit dem Krankenhauszukunftsgesetz enorm gestiegenen Kosten für digitale Lösungen im Krankenhaus schon heute widerlegt." Die Betriebskostenfinanzierung digitaler Anwendungen sei nach wie vor ungelöst, gleichzeitig drohten noch immer Sanktionen, wenn bis Ende kommenden Jahres nicht alle gesetzlich geforderten Lösungen umgesetzt sein sollten. Der Verweis von Lauterbach auf die Digitalisierung in Israel und den USA sei zwar richtig, aber hierzulande bestehe keine vergleichbare Finanzierung wie in diesen Ländern. Insgesamt spricht sich die DKG für eine nachhaltige Digitalisierung aus, die die entstehenden Betriebs- und Personalkosten im System abbildet, "sonst verpufft der Impuls des Krankenhaus-Zukunftsfonds, ohne dauerhaft für eine Verbesserung der Versorgung zu dienen“, betont der DKG-Vorstandsvorsitzende.

KBV: "Wir lehnen unreife Konzepte ab"

Das derzeitige Vorgehen von Politik und Gematik erinnere fatal an die Fehler der vergangenen Jahre bei der Digitalisierung, in denen Anwendungen teilweise unausgereift als verbindlich erklärt wurden, kritisiert die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in einer Mitteilung zur Opt-out-Variante der ePA. Die Lösung sei "überhastet angestoßen" und soll ohne konkrete Planung in die Versorgungsrealität integriert werden - als eine Art "Zwangsbeglückung für die Versicherten".

Eine verpflichtende Einführung ab 1. Juli 2024 sei für die KBV  unrealistisch, da konkrete Vorgaben fehlten wie die technischen Festlegungen und ihre datenschutzkonformen Implementierungen in den IT-Systemen. "Wir müssen unbedingt vermeiden, dass die ePA als Folge unrealistischer Termine unausgereift durchgesetzt und die Akzeptanz dieser wichtigen Anwendung bei Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten nachhaltig beschädigt wird", sagt der KBV-Vorstand aus Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steineraus. "Die Opt-out-ePA muss für Patientinnen und Patienten leicht nutzbar sein und die Arbeit in den Praxen erleichtern. Nur dann wird sie ein Erfolg." Dementsprechend habe die KBV den vorgelegten Beschlussvorschlag der Gematik in dieser Woche bereits abgelehnt. "Wir arbeiten gerne und konstruktiv mit, um für Patienten und Praxen gleichermaßen gut funktionierende ePA-Lösungen zu entwickeln. Eine solche ePA werden auch die Versicherten sehr schnell für sich als Mehrwert erkennen und diese Akte nutzen wollen. Wir lehnen aber unreife und unabgestimmte Konzepte ab“, so die KBV. 

Autor

 Anika Pfeiffer

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