Seit Jahrzehnten gibt es eine kontroverse Debatte über die „Akademisierung neuer Gesundheitsfachberufe“ – sei es im Bereich der Pflege- oder Therapiewissenschaften, der Hebammenkunde oder der Physician Assistants. Viele Studiengänge haben sich zwischenzeitlich etabliert, Hochschulen haben ihre Bildungsangebote an die sich wandelnden Bedarfe angepasst und dadurch einen wichtigen Beitrag geleistet. Und dennoch: Es hakt an vielen Stellen immer noch.
So berichten beinahe alle Gesundheitsunternehmen – im stationären, ambulanten wie auch im rehabilitativen Bereich – über Fachkräftemangel und den Bedarf neuer Berufsbilder. Doch vor allem die Finanzierung bremst die Einführung neuer Berufsbilder aus. Zwar hat der Gesetzgeber versucht, Fehlentwicklungen, gerade im Bereich der Pflege, zu verhindern. Er hat dabei jedoch leider vieles eher schlimmer gemacht und „alte Berufsbilder“ zementiert (Stichpunkt: Pflegebudgets oder Pflegepersonaluntergrenzen). Nach wie vor sind die Vorgaben oft starr, die „Codier- und somit Abrechnungsrelevanz“ für (DRG- oder EMB-)Leistungen hängen noch an der ärztlichen Leistungserbringung. Streitigkeiten um Delegation und Substitutions-Modelle sind fortwährend. Das Mantra der alleinigen Ärztezentrierung, gerade in der Diagnostik und der Verordnungshoheit muss überdacht und neue Anreize bei der Vergütung gefunden werden. Halten wir an der jetzigen Struktur fest, ist sehr bald eine hochwertige Versorgung nicht mehr lange leistbar – nicht nur aufgrund knapper Finanzmittel, sondern vor allem wegen des eklatanten Fachkräftemangels.
Neue Versorgungsmodelle müssen sich explizit auf die Bedarfe der Patient:innen fokussieren und dazu auch technologische Innovationen sowie neue Gesundheitsfachberufe implementieren. Nur so können durch einen möglichst effizienten Nutzeneinsatz größere Rationierungsmaßnahmen der Politik vermieden werden. Dazu braucht es einen fundamentalen Systemwechsel. Dies bedeutet, alte Strukturen und tradierte Organisationsprozesse über Bord zu werfen, wie auch Veränderungsprozesse in den Gesundheitswissenschaften mit neuen Therapiemöglichkeiten und Gesundheitsfachberufen zuzulassen. Regionale Gesundheitsbudgets, auch Capitation-Modelle genannt, können hier eine Lösung sein, sich schnell aus der alten Struktur zu befreien: Zu definierende Leistungserbringer erhalten demnach eine pauschale Vergütung pro Kopf, unabhängig von real auftretenden Krankheitsfällen. Was am Ende zählt ist nicht die Frage durch wen, sondern mit welcher Qualität Patient:innen behandelt werden.
Dazu gehört nicht nur die Festlegung der notwendigen Versorgungsinfrastruktur, sondern auch das Aufsetzen der in Zukunft relevanten Versorgungsprozesse sowie der Art und Anzahl der regionalen Gesundheitsexperten:innen. Diese sind Vertreter:innen aller Gesundheitsfachberufe. Unabhängig davon, welche Leistungserbringer dies im Einzelfall sind, gilt es, den Versorgungsprozess des Patienten qualitäts- und effizienzorientiert zu gestalten. Im Kontext von Regionalbudgets spielt es dann für die „Abrechnungsmöglichkeiten“ mit den Kostenträgern nicht mehr die Rolle, ob ein Arzt/eine Ärztin oder ein anderer, entsprechend qualifizierter Gesundheitsfachberuf die Leistung übernimmt. Das einzige was zählt, ist das Behandlungsergebnis. Je nach Verfügbarkeit und Spezifika vor Ort können Leistungserbringer alle Gesundheitsfachberufe aus den verschiedensten Versorgungsbereichen (über die SGBs hinweg) sein.
Dies zeigt: Capitation-Modelle, die ja primär als neue Möglichkeit für ein alternatives Vergütungssystem diskutiert werden, können auch bei den Gesundheitsfachberufen helfen, alte Gräben zu überwinden.