Jens Spahn, der vormalige Bundesgesundheitsminister, galt als fleißig, weil er es vor dem Ausbruch der Coronapandemie geschafft hatte, jeden Monat mindestens ein Gesetz auf den Weg zu bringen. Allerdings wurden seine Vorhaben immer wieder als unausgereift kritisiert und Qualität vor Schnelligkeit angemahnt.
Bei seinem Nachfolger Karl Lauterbach hat die Taktzahl zwar spürbar abgenommen, komplett durchdacht scheinen die Initiativen des SPD-Mannes gleichwohl dennoch nicht zu sein. Bestes Beispiel dafür ist das von ihm auf den Weg gebrachte Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, mit dem die Pflegepersonalregelung – kurz PPR 2.0 – implementiert werden soll.
Zwar behaupten Gesundheitsminister immer wieder gern, wenn alle schimpften, hätten sie alles richtig gemacht. Im Falle dieses Vorhabens wären jedoch Selbstzweifel angebracht gewesen, schließlich waren es diesmal die „Erfinder“ der Neuregelung – die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Deutsche Pflegerat – , die gemeinsam protestierten und beklagten, sie würden ihr eigenes Konzept nicht wiedererkennen.
Vetorecht für Lindner: ein Novum in der Gesundheitspolitik
Zu Recht, denn Lauterbach räumt dem Bundesfinanzminister ein Vetorecht gegen alle Detailregelungen zur Umsetzung der PPR 2.0 ein. Eine derart weitreichende Eingriffsmöglichkeit ist ein Novum in der Gesundheitspolitik und sorgt daher in der gesamten Gesundheitsbranche für Kopfschütteln.
Damit aber nicht genug. Ohne Absprache mit den Beteiligten baute Lauterbach auch noch eine Ausnahmeklausel ein, die den Ausstieg aus den gesetzlichen Vorgaben ermöglichen sollte für den Fall, dass es bereits Tarifverträge zur Entlastung des Pflegepersonals gibt. Auch hier waren sich DKG, Verdi und Pflegerat in ihrer Ablehnung einig, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Verdi argumentierte mit der Gefahr eines Unterlaufens angemessener Personalschlüssel durch „Gefälligkeitstarifverträge von Pseudogewerkschaften“, DKG-Chef Gerald Gaß forderte gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Kliniken.
Gesetz im Hauruckverfahren
Wenigstens Letzteres strich Lauterbach wieder aus dem Gesetz. In einem Hauruckverfahren erweiterte der Minister das „KHPflEG“ dann aber zu einem sogenannten Omnibusgesetz: Gerade noch rechtzeitig vor der Sachverständigenanhörung im Bundestag wurden mehr als ein Dutzend Neuregelungen angehängt, die mit dem eigentlichen Gesetzeszweck gar nichts mehr zu tun haben.
Selbst die Abgeordneten der Ampelfraktionen hatten kaum Zeit, die Vorschläge des Ministers zu prüfen. Dabei handelt es sich immerhin um eine Art kleine Krankenhausreform: Pädiatrie und Geburtshilfe bekommen mehr Geld, Hybrid-DRGs werden eingeführt und den Kliniken Tagesbehandlungen erlaubt.
Lauterbachs Hoffnung wird sich nicht erfüllen
Dass die Eile zulasten sorgfältig durchdachter Konzepte geht, ist nicht nur an den Hybrid-DRGs, sondern auch an den Tagesbehandlungen zu erkennen. Denn Lauterbachs Hoffnung, das Personal von Nachtschichten zu entlasten und Kosten zu sparen, wird sich kaum erfüllen. Zum einen entstehen bei den Kliniken erheblicher Mehraufwand durch Entlassung und Wiederaufnahme sowie zusätzliche Dokumentationspflichten. Zum anderen bekommen die Tagespatienten keine Fahrtkosten erstattet, um Mehrkosten für die Krankenkassen zu verhindern. Das Interesse an der neuen Behandlungsform dürfte sich daher in Grenzen halten.