Ampelbruch

Krankenhausreform hängt am seidenen Faden

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Krankenhausreform hängt am seidenen Faden
Gesundheitsminister Karl Lauterbach muss um den Erfolg seiner Krankenhausreform fürchten. © picture alliance / dts-Agentur

Nach dem Zusammenbruch der Ampel muss Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit allen Mitteln verhindern, dass seine Krankenhausreform in den Vermittlungsausschuss kommt – sonst ist die Gefahr des Scheiterns groß.

Der Zusammenbruch der Ampel wirkt sich massiv auf die Gesundheitsgesetzgebung aus, denn viele Gesetze von Gesundheitsminister Karl Lauterbach sind noch in der Pipeline. Dieser gab sich heute auf dem Deutschen Pflegetag zwar kämpferisch. Für die meisten seiner noch offenen Projekte dürfte es in dieser Legislatur aber kein Happy End geben – zumal auch offen ist, wann Bundeskanzler Scholz die Vertrauensfrage stellt und Neuwahlen kommen. Spannend für die Krankenhäuser bleibt, ob die Krankenhausreform und die Notfallreform noch fertig werden. Beide Gesetzesvorhaben sind komplex, aber weit fortgeschritten. 

KHVVG – ein Krimi für Feinschmecker

Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) hat der Bundestag im Oktober beschlossen. Es kann nur noch mithilfe des Vermittlungsausschusses gekippt werden. Den wollen vor allem die unionsgeführten Länder am 22. November im Bundesrat anrufen. Gelingt das, stehen die Chancen für das KHVVG sehr schlecht. Denn in der aktuellen politischen Gesamtlage mit einer angeschlagenen Regierung und dem sehr kleinen Zeitfenster bis zur nächsten Wahl (spätestens März) ein Vermittlungsergebnis hinzubekommen, ist kaum möglich. Am Ende des Vermittlungsprozesses hätte der Bundestag zwar die Möglichkeit, das Gesetz mit einfacher Mehrheit trotzdem auf den Weg zu bringen, aber mit der Mehrheit ist das nach dem Koalitionsbruch so eine Sache. FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann äußerte sich gegenüber Bibliomed zurückhaltend: "Wir werden jetzt abwarten, ob das Gesetz in den Vermittlungsausschuss kommt. Dann werden wir gegebenenfalls schauen, wie es modifiziert wurde, falls es modifiziert wurde. Erst dann können wir entscheiden, ob wir es weiterhin mittragen.”

Noch ist offen, ob das KHVVG in den Vermittlungsausschuss kommt. Im Bundesrat würde dazu eine einfache Mehrheit reichen, das wären 35 von 69 Stimmen. Die Stimmenzahl der Länder ist nach Proporz verteilt: Baden-Württemberg und Bayern haben sechs Stimmen, Bremen und Hamburg drei. Bei der Abstimmung kommt es auf die Wackelkandidaten Hessen und Brandenburg an. Bayern (6), Baden-Württemberg (6), NRW (6), Sachsen-Anhalt (4), Sachsen (4), Thüringen (4) und Schleswig-Holstein (4) hätten 34 Stimmen, mit Hessen (5) wären es 39. 

Hessen ist das Zünglein an der Waage

In der Regel enthalten sich uneinige Landesregierungen bei solchen Bundesratsentscheidungen – und eine Enthaltung wäre in dem Fall eine Stimme gegen den Vermittlungsausschuss. Doch gerade Hessen (Regierung mit SPD-Beteiligung) hält sich eine Zustimmung zum Vermittlungsausschuss noch immer offen und könnte so zum Zünglein an der Waage werden. Gesundheitsministerin Diana Stolz (CDU) befürwortet dies, allerdings liegt der Ball nun beim Koalitionspartner SPD. Es dürfte aber schwierig für die CDU werden, die hessischen Genossen zur Revolte gegen die Bundespartei zu bewegen – außerdem hat Regierungschef Boris Rhein (CDU) wenig Interesse, die Stimmung in seiner Koalition mit diesem Thema zu belasten. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Daniela Sommer, äußerte sich zu dem hoch brisanten Sachverhalt schwammig: "In allen Fragen, die Hessen im Zuge des KHVVG betrifft, stimmen wir uns eng mit unserem Koalitionspartner ab und werden dann zu gegebener Zeit gemeinsam entscheiden."

Für Lauterbach könnte es im Bundesrat im Falle eines abweichenden Votums Hessens zum Déjà-vu kommen, denn auch beim Krankenhaustransparenzgesetz hatten die Länder Thüringen und Brandenburg (SPD-Koalition) dem Vermittlungsausschuss zugestimmt. Wie Brandenburg beim KHVVG stimmt, ist Teil einiger Spekulationen. Geschäftsführend ist zwar noch die SPD-geführte Regierung im Amt, doch die Koalitionsverhandlungen mit dem Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) könnten sich auch auf das Abstimmungsverhalten auswirken, meinen einige. Selbst Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD), der sich zuletzt positiv zur Reform äußerte, hat noch kein grünes Licht für das KHVVG gegeben. 

Im Hintergrund dürften nun vor allem innerhalb der SPD die Drähte heiß laufen. Wichtig dürfte sein, wie Bundeskanzler Olaf Scholz die Krankenhausreform priorisiert. Es ist viel in Bewegung, viele Länder beginnen zu rechnen und es laufen im ganzen Land schon einige Wetten auf den Erfolg oder Misserfolg des KHVVG. Für den Erfolg des Gesetzes spricht, dass Karl Lauterbach mehrere Geldspritzen mit dem Gesetz verbunden hat. Auch das könnte für die ein oder andere Landesregierung noch den Ausschlag geben, ebenso wie die Dringlichkeit einer Reform. Schließlich betonen alle Kontrahenten, dass eine Reform endlich starten muss, weitermachen wie bisher ist keine Lösung. Durchwinken und später in Regierungsverantwortung feinjustieren, das könnte vielleicht auch die Strategie des ein oder anderen Unionspolitikers sein.

DKG setzt weiter auf Vermittlungsausschuss

Davon hält Gerald Gaß, Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), allerdings nichts. „Niemand kann heute sagen, wer nach einer Neuwahl das Gesundheitsressort führt und ob es dann zu schnellen, notwendigen Korrekturen käme“, argumentiert er. Die DKG setzt weiter auf den Vermittlungsausschuss. „Auch dann ist es noch möglich, die Reform auf die wichtigsten Punkte zurückzuführen und zum Erfolg zu führen“, ist Gaß überzeugt. Dass dies angesichts der unklaren Mehrheitsverhältnisse und des engen Zeitfensters noch möglich ist, bezweifeln allerdings Insider, die auf Bundes- und Landesebene mit der Reform vertraut sind. Sie rechnen damit, dass der Vermittlungsausschuss der Todesstoß für die seit drei Jahren mühsam beackerte Reform wäre.

Das gesundheitspolitische Berlin ist vom Ampelchaos einigermaßen paralysiert. „Der ausgerufene Herbst der Reformen endet nun im politischen Herbststurm”, kommentiert die AOK-Chefin Carola Reimann und warnt, dass das Ampel-Aus nicht zum kompletten Stillstand führen dürfe. “Die Parteien sollten sich an entscheidenden Stellen zusammenraufen.” Dass dies beim KHVVG gelingt, glaubt Thomas Bublitz, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK). "Das Thema KHVVG ist gemessen an der aktuellen Problemlage relativ klein, deshalb glaube ich, dass es durchläuft", so Bublitz. 

Notfallversorgung: Rettung auf den letzten Metern?

Im Gegensatz zur Krankenhausreform steckt die Notfallreform (siehe auch neue Ausgabe von f&w) noch mitten im parlamentarischen Verfahren. Nur wenige Stunden vor dem Rauswurf von Christian Linder hatte der Gesundheitsausschuss die Sachverständigen angehört. Viele äußerten sich positiv zu Lauterbachs Plänen. Auf der Fachebene wäre ein politischer Konsens also denkbar. Für die Union könnte die Notfallversorgung ein dankbares Thema sein, bei dem sie die vielbeschworene staatspolitische Verantwortung übernehmen kann. Überlegungen wie diesen erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Tino Sorge allerdings bereits eine Absage. Eine projektbezogene Zusammenarbeit mit den Ampeltrümmern werde es in der Gesundheitspolitik nicht geben, zitiert ihn das "Ärzteblatt".

Nahezu ausgeschlossen dürfte es sein, dass Karl Lauterbach die angekündigte Reform des Rettungsdienstes noch umsetzt. Der Minister wollte die Neuordnung des Rettungsdienstes – die vor fünf Jahren krachend an den Innenministern der Länder gescheitert ist – über Änderungsanträge umsetzen. Bereits jetzt ist der Widerstand in den Ländern, aber auch Kreisen und Städten, groß. Außerdem ist die Zeit der Ampel für solch einen Prozess schlicht zu kurz. 

Diese Gesetze saufen ab

Die anderen Gesetzesvorhaben wird das BMG wohl kaum noch abliefern können. Darunter fallen unter anderem das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), das Gesunde-Herz-Gesetz, das Pflegekompetenzgesetz und das Gematik-Gesetz. Auch das angekündigte Entbürokratisierungsgesetz bleibt vermutlich auf der Strecke. Interessant ist, ob die Koalition die am Montag angekündigte Beitragssatzerhöhung für die Pflegeversicherung noch eintütet. Hier ist der Druck ungleich höher als bei den anderen Vorhaben.

Autoren

 Jens Mau
 Florian Albert

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